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Seit tausenden von Jahren streben die Menschen nach Unsterblichkeit. Heute glauben Transhumanisten, dass mit unseren leistungsfähigen Technologien eine radikale Lebensverlängerung unmittelbar bevorsteht. Aber die Missachtung des Zyklus von Geburt und Tod ist die Ursache für die Zerstörung der Biosphäre. Um das zu verändern, müssen wir unser Verhältnis zum Tod transformieren.
Ray Kurzweils Donquichotterie berührt mich. Kurzweil, der berühmte Erfinder und technische Direktor von Google, ist sein ganzes Leben lang davon motiviert, seinen toten Vater wieder zum Leben zu erwecken. Sein Vater starb, als Ray erst 22 Jahre alt war, und er vermisst ihn. Ich kann diese einfache emotionale Wahrheit nachempfinden: Verlust ist schwer zu ertragen. Er hinterlässt eine Wunde in unserer Brust, eine Wunde, die sich für die Ewigkeit öffnet.
Genauso ergeht es mir mit Elizabeth Parrish, der Geschäftsführerin des Biotech-Unternehmens BioVita. Sie ließ sich über 100 Spritzen mit verschiedenen Gentherapeutika setzen, die bei Labormäusen nachweislich die Alterung umkehren. Ihr Bestreben, die »Krankheit des Alterns« (wie sie es nennt) zu beenden, begann, als bei ihrem neunjährigen Sohn Diabetes Typ 1 diagnostiziert wurde. Parrish war schockiert – und empört. Sie war wütend, dass Kinder sterben konnten – einfach so. Indem sie den Tod besiegte, konnte sie vielleicht alle Kinder am Leben erhalten. Parrish erlebte Trauer und Schrecken, als sie feststellte, dass ihr Kind eine bedrohliche Krankheit hatte, vor der sie es nicht schützen konnte. Das kann ich nachempfinden – dieses Gefühl der Ohnmacht, wenn die Existenz von jemandem, den man so sehr liebt, wie eine Kerze ausgelöscht werden kann und man nichts tun kann.
Die Beweggründe, die hinter den Bemühungen von Kurzweil und Parrish stehen, sind nur allzu menschlich: der Schmerz und die Angst vor Verlust. Ich kann das verstehen. Mein Bruder starb im Alter von 44 Jahren, was in mir immer noch Trauer auslöst. Mein geliebter Partner kämpft mit einer lebensbedrohlichen Krankheit. Mein Gedächtnis ist nicht mehr das, was es einmal war. Wer hätte da nicht das Bedürfnis, eine Pille zu schlucken oder einen kleinen Eingriff vorzunehmen, um unser Schicksal zu »reparieren«?
»Der Wunsch, den Tod zu besiegen, ist ein ultimatives Ziel des modernen Geistes.«
Aber ist es in unserer Zeit, in der sich die Praktiken und der Fortschritt der Moderne als zerstörerisch erweisen und eine neue Kultur erst noch entstehen muss, überhaupt sinnvoll, den Tod besiegen zu wollen? Könnte eine Integration des Sterbens, des Endes, nicht sogar wesentlich für das potenzielle Entstehen eines lebensfreundlichen Planeten und einer lebensdienlichen Kultur sein? Ermöglicht das Sterben eine Transformation?
Die Sehnsucht nach Unsterblichkeit
Der Drang, unsterblich zu werden, reicht weit in die menschliche Geschichte zurück. Die alte mesopotamische Erzählung von Gilgamesch aus der Zeit um 2100 v. Chr. handelt von der heldenhaften Reise eines Königs, der, bestürzt über den Tod seines Freundes, nach dem Geheimnis des unsterblichen Lebens sucht. Im antiken Griechenland konnten Sterbliche zu Göttern werden, wenn sie, wie Dionysius oder Psyche, den Preis der Unsterblichkeit erhielten. Wir Menschen stellen den Tod schon seit langem infrage.
Trotz des menschlichen Impulses, den Tod zu vermeiden, was könnte die Unsterblichkeit für die Menschheit bedeuten? Kurzweil ist berühmt-berüchtigt für seine utopischen Hoffnungen in Bezug auf alle Möglichkeiten, wie die Wissenschaft die Grenzen verschieben kann: künstliche Intelligenz. Das Hochladen des menschlichen Bewusstseins in eine digitale Cloud. Cyborgs, Mischwesen aus Mensch und Maschine.
Eine radikale Lebensverlängerung mit allen verfügbaren Mitteln hat für ihn keine Nachteile. Aber was würde das eigentlich bedeuten? Wenn wir schon die Kluft zwischen den Superreichen und allen anderen als problematisch empfinden, wie groß wäre dann die Kluft zwischen denen, die es sich leisten können, hunderte von Jahren zu leben, und dem Rest der Menschheit? Selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass die gesamte Menschheit viel, viel länger leben könnte als jetzt, was wäre dann mit der Überbevölkerung? Was würde die Menschen motivieren und sie vor Langeweile bewahren? Und würde ein sehr langes Leben bedeuten, dass das Gehirn und der Körper überhaupt nicht mehr altern würden? Zweihundert Jahre lang mit Alzheimer zu leben, klingt nach einem Leben in der Hölle.
Wir würden Götter sein
Kurzweils und Parrishs Weigerung, den Tod zu akzeptieren, hat etwas Mythisches und fast schon Naives an sich. Kurzweil kehrt den ödipalen Mythos um, den Sigmund Freud in den Mittelpunkt der westlichen Kultur gestellt hat, indem er versucht, seinen Vater wieder zum Leben zu erwecken. Und Parrish wurde durch die Injektionen der Gentherapeutika wie der Heilige Sebastian am ganzen Körper durchbohrt und starb nicht. Beide stellen sich über die Natur und streben nach dem Sieg über die grundlegende Realität von Geburt und Tod. Gerade so, als wären sie Götter. »Gibt es Gott?«, fragt Kurzweil und antwortet: »Ich würde sagen, noch nicht.«
Ich bin mir zwar nicht sicher, was Kurzweil damit meint, aber er scheint zu sagen, dass wir (oder er?) Götter sein werden. Parrish und Kurzweil sind so etwas wie mythische Götter der Moderne. Ihr scheinbar unhinterfragter Glaube an die Wissenschaft, die Gleichsetzung von technologischen Durchbrüchen mit menschlichem Fortschritt, ihre Blindheit gegenüber allem, was über das Materielle und Physische hinausgeht, und ihr begrenzter Fokus auf das Individuum sind allesamt Kennzeichen des modernen Denkens. Der Wunsch, den Tod zu besiegen, ist ein ultimatives Ziel des modernen Geistes.
Das führt mich zurück zu Sir Francis Bacon im 16. Jahrhundert. Bacon, der oft als Vater der empirischen Wissenschaft bezeichnet wird, fasste die Beziehung zwischen der männlichen Wissenschaft und der weiblichen Natur in gewaltsame Formulierungen – als sexuelle Herrschaft, die die Natur zur »Sklavin des Menschen« macht. Durch wissenschaftliche Experimente können (männliche) Wissenschaftler weiter in sie »eindringen« und »endlich einen Weg in ihre innersten Kammern finden«. Diese Form der Unterwerfung hat die Herrschaft über die Natur zum Ziel, um »das Recht der Herrschaft über die Natur wiederzuerlangen, das [dem Menschen] durch göttliches Gebot zusteht«. Gott hat also dem Mann die Herrschaft über die Erde übertragen. Durch die Wissenschaft üben die Männer dieses »Recht« der Herrschaft über die Natur aus und bewirken die »wahrhaft männliche Geburt der Zeit«.
Es ist offensichtlich, wozu das geführt hat. Nachdem wir Gott ein paar Jahrhunderte später vom Thron gestoßen haben, scheint es nun ein Leichtes, selbst den Thron zu besteigen. Dann würden wir zu Göttern werden. Deshalb sind diese Ideen, die vor 500 Jahren entstanden sind, immer noch so aktuell. Sie werden von Leuten wie Kurzweil und Parrish in die Gegenwart geholt.
Der Tod ist der kostbare Unterstützer der Natur, eine Quelle der Fruchtbarkeit und des Lebens. Die Wälder, diese üppig grünen und dicht miteinander verschlungenen Lebensräume, quellen über von toten Pflanzen, verrottenden Bäumen und verwesenden Kadavern. Der gesamte Boden der Erde ist das Ergebnis von Millionen von Jahren, in denen sich tote Organismen zersetzten, um sich in neuen Boden und neue Lebewesen zu verwandeln. Wir Menschen sind Teil dieses Prozesses – wir leben von toten Dingen. Sie bilden unsere individuelle Erde, unseren Körper. Jeden Tag nehmen wir tierische, pflanzliche und mineralische Stoffe auf und erwecken sie in unserem Körper zu neuem Leben. So wie die Natur ist auch der Tod generativ und transformativ. Die Natur ist der große dunkle Schoß, in den wir alle zurückkehren.
Wackelpudding sein
Der historische Moment, in dem wir leben, ist beispiellos. Und eine andere Perspektive als die der westlichen Wissenschaft wächst heran, um auf diesen Moment zu antworten. Diese Bewegung will die Hybris der Moderne und ihr Ethos der Herrschaft überwinden und uns stärker mit den organischen Lebensprozessen – dem Zyklus von Geburt und Tod – in Einklang bringen.
Dies erfordert jedoch eine Transformation. Die Denk- und Handlungsweisen, die die westliche Kultur beherrschen, und die Systeme, die sie hervorgebracht hat, haben Tentakel, die weit in unser Denken und Sein hineinreichen. Wir können nicht anders, als uns selbst als Subjekte in einer Welt von Objekten zu erleben – was andere Menschen und empfindungsfähige Wesen einschließt. Unser fest verankertes Verständnis eines getrennten Selbst mag eine bedeutende Entwicklung des menschlichen Bewusstseins sein, aber es ist zugleich die Ursache unserer Trennung von den natürlichen Gezeiten der Verbundenheit im Gewebe des Lebens.
Das Wort »Transformation«, sagt der Harvard-Entwicklungspsychologe Robert Kegan, birgt in seinem Zentrum die »Form«. Transformation bedeutet eine Veränderung der Form, in diesem Fall der Erfahrung, inmitten von allem anwesend zu sein. Bei Kegan ist die Form, die sich verändert, die Art und Weise des In-der-Welt-Seins, die Erfahrung von Verbundenheit und Selbstsein.
Diese Veränderung ist ein Ende, wie ein Tod. Viele lassen sich von der Transformationsgeschichte der Raupe inspirieren, die sich in einen Schmetterling verwandelt – die ersten Zellen des Schmetterlings werden vom Immunsystem der Raupe abgetötet, und erst, wenn sich genug dieser Imago-Zellen bilden, kann der Schmetterling Gestalt annehmen. Und die meisten von uns wollen Schmetterlinge werden. Aber was passiert im Prozess zwischen Raupe und Schmetterling? Dazwischen ist der Organismus eine unförmige Masse, wie ein Wackelpudding. Wie die Autorin und Lehrerin Bonnita Roy sagt: »Wir sind der Wackelpudding.« Diejenigen von uns, die danach streben, sich in eine Art des Seins zu verwandeln, die wir noch nicht kennen, sind wie Wackelpudding. Wenn wir Glück haben, würde ich hinzufügen. Wenn wir Glück haben, werden Lichtungen der Ungewissheit und Funken der Verbundenheit das liebgewonnene Selbstgefühl durchdringen, das wir alle so sorgfältig kultiviert haben. Diese unförmige Masse ist gekennzeichnet von Nicht-Wissen, tiefer Neugier, Loslassen. Es ist nicht etwas, das wir bereits wissen.
»Der Tod ist der kostbare Unterstützer der Natur, eine Quelle der Fruchtbarkeit und des Lebens.«
Das ist eine Praxis des Sterbens. Es überrascht vielleicht nicht, dass sich Kegans spätere Arbeit mit seiner Kollegin Lisa Lahey mit der Immunität gegenüber Veränderungen befasst. Wandel und Entwicklung klingen zwar aufregend (und notwendig), aber es gibt einen Preis zu zahlen. Unser altes »Raupen«-Selbst erfindet viele Wege, um intakt zu bleiben. In vielen spirituellen Traditionen werden Praktiken zum Loslassen des alten Raupenselbst kultiviert, damit der Praktizierende nach dem Tod die Bewusstseinsstärke hat, um in ein Leben nach dem Tod überzugehen – welche Form auch immer er oder sie sucht. Aber auch ohne die Belohnung eines Lebens nach dem Tod erfordern die gegenwärtigen Bedürfnisse unserer kostbaren Erde und aller fühlenden Wesen, dass die Menschheit ihre Trennung vom Lebensprozess beendet. Wir müssen lernen zu sterben.
Und wir zittern
Immer wieder, Jahr für Jahr, meditierte ich, und etwas löste und öffnete sich in meinem Bewusstsein, als ich einen Tritt in den Rücken spürte. Es dauerte eine Weile, bis ich erkannte, dass er irgendwie von mir selbst kam. Es war eine unbewusste Angst vor dem Loslassen, die so stark war, dass sie mich fast von meinem Kissen stieß.
In der Öffnung, die durch jede ernsthafte spirituelle Praxis entsteht, in der wir die etablierten Muster des Denkens und des Selbstbezugs hinter uns lassen, liegt das Potenzial, sich auf das Ganze auszurichten, von dem wir alle ein Teil sind. Hier kann sich eine andere Intelligenz zeigen, die aus dem Feld der Verbundenheit entsteht und nicht versucht, darüber zu herrschen.
Dies ist ein sehr sensibler Raum. Das Herz schlägt mit den Flügeln gegen den Käfig der Brust. Wie Simone Weil sagt: »Die menschliche Existenz ist so zerbrechlich und so vielen Gefahren ausgesetzt, dass ich nicht lieben kann, ohne zu zittern.« Die Angst ist da, und doch kann man nicht anders als zu lieben.
In dieser Zeit, in der die Moderne im Sterben liegt und das Neue noch nicht da ist und wir einfach nur Wackelpudding sind, werden Verlust und Trauer ständige Begleiter sein. Der Wunsch von Transhumanisten wie Kurzweil und Parrish, den Tod zu besiegen und Verluste zu vermeiden, ist vergeblich. Aber er ist zugleich mehr als vergeblich.
Die Bereitschaft, sich zu verwandeln, zu trauern und die Endlichkeit, die Sterblichkeit immer wieder zu erleben, kann Fähigkeiten der Fürsorge und der Liebe ins Leben rufen, von denen wir nicht wissen, dass wir sie haben. Simone Weil schreibt: »Unsere vorgestellte Position als Zentrum aufzugeben, auf sie zu verzichten, nicht nur intellektuell, sondern im imaginativen Teil unserer Seele, bedeutet, zu dem zu erwachen, was wirklich und ewig ist, das wahre Licht zu sehen und die wahre Stille zu hören.« So beginnt die Transformation.
Author:
Dr. Elizabeth Debold
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