Bewusste Netzwerke

Ein menschliches Internet jenseits von Google und Facebook

Wir leben mehr und mehr in einer digitalen Welt. Werden wir Menschen so zu einem Anhang einer großen algorithmischen Maschine, zu einem Beiwerk von Google, Facebook und Co? Oder finden wir in der digitalen Welt neue, selbstbestimmte Formen der Zusammenarbeit? Vielleicht gelingt es uns sogar, dem Internet eine menschliche Seele zu geben.

Artikel der aktuellen Ausgabe

Readers Voice's

Die Ausgabe 34 »Bewusste Netzwerke« hat mir diesmal einiges abverlangt. Auch wenn ich durchaus sehe, dass die Entwicklung von Gemeinschaft in Zukunft auch in einem menschlichen Internet und in den damit verbundenen Begegnungsräumen liegen könnte, habe ich nicht so recht verstanden, worum es eigentlich im tieferen Sinne geht und was das mit meiner jetzigen Lebenssituation zu tun hat.

Irgendwann habe ich Begriffe gegoogelt wie »Blockchain-Technologie«, Web3 und »DAO«. Dadurch sind mir die Zusammenhänge etwas klarer geworden. Es wäre vielleicht eine Idee für Themen, die der Zeit voraus sind, die Leser*innen mehr einzuladen und mit einer entsprechenden Einführung das Lesen einfacher und verständlicher zu machen.

Wenn ich sehe, mit welcher Geschwindigkeit sich Online-Konferenzen verbreitet haben, die uns neue Möglichkeiten der Begegnung eröffnen (und die ich aktiv nutze), könnte es sein, dass uns die Inhalte des Magazins in einigen Jahren vermutlich vertrauter sind. In diesem Sinne wünsche ich der Redaktion auch weiterhin den Mut, Themen aufzugreifen, die nicht sofort gefällig sind.

Helmut Dörmann, Minden, www.helmut-doermann.de

Die Digitalisierung schreitet so schnell voran, dass wir als Laien vieles gar nicht mitbekommen. Das letzte evolve-Heft hat einige dieser neuen Entwicklungen erklärt und eingeordnet, wie das Web3 und Dezentrale Autonome Organisationen. Das war sehr informativ, und die Redaktion hat uns eine Menge Recherchearbeit abgenommen. Es ist auch ein toller Ansatz zu überlegen, wie man digitale Netzwerke für das Gemeinwohl nutzen kann.

Birgit Stratmann, Hamburg, www.ethik-heute.de

Als langjähriger Abonnent der evolve bin ich von dem aktuellen Heft erstmals nicht nur enttäuscht, sondern sehr irritiert. Für mich ist (oder war?) die evolve vor allem eine Brücke zwischen zwei Welten: zwischen unserer technisch durchrationalisierten, aber sehr oberflächlichen, maschinenhaften Moderne einerseits und einer spirituell sensiblen, tiefschichtigen, aber hellwachen »seelischen Innenwelt« andererseits.

Wenn nun – wie im neuen Heft 34 – die Raffinessen der Informationstechnologie als Ergänzung oder gar als Alternative zur bisherigen kulturellen und spirituellen Ausrichtung begrüßt werden, stimmt für mich meine bisherige Vorstellung von der evolve nicht mehr. Wollen wir unsere lebendige, geistig-sensible Kultur tatsächlich in eine Megamaschine verwandeln? ☹

Wenn diese technisch sehr wohl erstaunlich raffinierte Maschinenlogik wenigstens als solche mit bedacht worden wäre, hätte mich das Loblied auf diese moderne Raffinesse nicht so sehr irritiert.

Karlheinz Gerrnbacher, Bad Schwalbach

Danke für diese mutige Ausgabe und den Dialog über ein Thema, dass den redaktionellen Inhalten von evolve auf den ersten Blick so fremd zu sein scheint. Es wirft ja erstmal viele Fragen auf: Was hat Spiritualität und Bewusstsein mit digitalen Netzwerken zu tun? Wenn wir Spiritualität als wahrhaftige Verbindung zu uns selbst und zu unserer Mitwelt verstehen – verhindert die zunehmende Verlagerung unseres Lebens in virtuelle Welten dann nicht das Erleben von Spiritualität? Wozu also neue digitale Netzwerke erschaffen?

In den evolve-Beiträgen geht es meines Erachtens jedoch um die Erschaffung von Alternativen zu dem einen digitalen Netzwerk, mit dem zurzeit praktisch alle Menschen existenziell verbunden sind – meist ohne das in diesem Netzwerk wirkende Bewusstsein zu erkennen:

Unser Geldsystem ist mehrere tausend Jahre alt und hat sich aus seinen analogen Ursprüngen hin zu einem digitalen Netzwerk entwickelt. Das Bewusstsein, aus dem heraus es geschaffen und über die Zeit geprägt wurde, ist in seiner heutigen Konstruktion manifestiert. So wurde ein globales Handlungsfeld etabliert, welches Profit, Wirtschaftswachstum, Geschwindigkeit, Ausbeutung, Monokultur, Konkurrenz, Kampf und Krieg fördert und fordert. Die Werte dieses »unbewussten« Netzwerks wirken dem Leben und Erleben von Spiritualität sehr kraftvoll entgegen und hinterlassen eine überforderte, verängstigte, aggressive Gesellschaft und einen ausgebeuteten Planeten.

Nun geht es darum, aus einem neuen Bewusstsein heraus neue Handlungsfelder – eine neue »Matrix« zu erschaffen, innerhalb der wir erstmals denjenigen Werten (ökonomische) Kraft geben, welche uns als Menschheit tatsächlich heilig sind. Würden solche alternativen Handlungsfelder global relevant, dann könnte sich das Wesen der Menschheit erstmals in allen Facetten entfalten – vor allem auch in einer kraftvollen Spiritualität.

Ich beobachte, dass solche Ideen zurzeit aus verschiedenen Bereichen der Gesellschaft zutage treten. Das macht mir große Hoffnung, dass wir in absehbarer Zeit eine Metamorphose, eine tiefgreifende Transformation unserer Gesellschaft erleben könnten.

Oliver Sachs, München, www.schmetterlingsbewegung.de

Was für ein herausforderndes Heft! »Bewusste Netzwerke« … schon beim Titel zogen sich die Augenbrauen zusammen. Ein digitales Konstrukt mit Bewusstsein? Lachhaft! War das nicht Wirbeltieren im Allgemeinen und dem Homo sapiens im Besonderen vorbehalten?

Ich erwartete ein gepflegtes Kompendium all der Wünsch-dir-was-Nerds, die im stillen Kämmerlein zwischen Monitoren, Festplatten und Kabelsalat ihre kühnen Visionen eines digitalen Shangri-La entwarfen und dabei mit den entsprechenden Keywords aus dem Vollen schöpften: Blockchain, Web3, DAO, Bitcoin, IDGs, SGDs, Token, CRISPR und viele, viele mehr. Und um der Wahrheit die Ehre zu geben: Es wimmelte folgerichtig auch von Konjunktiven. Müsste, sollte, könnte, würde, hätte … da geben sich Hoffnung und Verzweiflung die Hand.

Doch das war nur mein erster Eindruck. Nachdem ich meine »Blockchain« etwas gelockert hatte, wurde ich der thematischen Vielfalt der komplexen Materie gewahr, die auch bei mir erst mal einen Fluchtreflex auslöste. Ich war plötzlich offen für die akribische Sorgfalt, mit der Thomas Steininger von der Entstehung des Lebens einen weiten Bogen über Jahrmillionen bis zum Holozän spannte, an dessen Ende wir nun vor dem Verlust all unserer Träume stehen. Was für eine grandiose Evolution!

Elizabeth Debold berichtet über Ausgrabungen auf dem Gebiet der heutigen Ukraine(!) von einer 6000 Jahre alten Zivilisation, die uns ein menschengemäßes soziales Gefüge über 600 Jahre lang vorlebte. Wir hätten es gekonnt … noch ein Konjunktiv. Auch ihre beiden poetischen, literarisch anspruchsvollen Geschichten aus der Zukunft zeigen, dass wir immer noch eine Wahl haben, trotz des unaufhaltsam erscheinenden Selbstzerstörungsmodus, in den wir unser planetarisches Raumschiff versetzt haben.

Nicht zu vergessen das Interview mit Marin Petrov: Es zeigt deutlich die Gefahr einer Eigendynamik, wenn wir den Tools zu viel Macht verleihen. Ich musste an Marshall McLuhan denken: »Wir formen unsere Werkzeuge. Und dann formen die Werkzeuge uns.« Hier hätte ich dem Thema »Transhumanismus« mehr Raum gewünscht.

evolve 34 wurde so für mich zum Lehrgang in Vorurteilsfreiheit, Selbstüberwindung und Geduld. Als einer der beiden Gastgeber des Wuppertaler Salons konnte ich diesen Wandel in der Rezeption des Heftes auch beim Treffen nachempfinden. Aus dem anfänglichen Technologie-Argwohn wurde allmählich Entschlossenheit, uns diese Domäne nicht entreißen zu lassen und uns nur immer wieder der zentralen Sphäre unseres menschlichen Bewusstseins gewahr zu sein: Beziehung, Empathie, Kreativität und … Liebe.

Dank an die Redaktion für dieses angenehm heterogene Heft!

Reino Kropfgans, Haan