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Unsere Zeit ist auch eine Zeit des Sterbens. Kriege und Konflikte vernichten menschliches Leben. Lebewesen und Ökosysteme gehen verloren oder werden bedroht. Eine Lebensweise, in der wir uns eingerichtet haben, bricht zusammen. Können wir dieses Sterben spüren? Sind wir so mutig? Und finden wir darin Zeichen der Transformation, die unausdenkbare Neugeburt?
Über das Buch »Der Elefant und die Blinden – auf dem Weg zu einer Kultur der Bewusstheit« von Thomas Metzinger
Über das Buch »Wie Wälder denken« von Eduardo Kohn
In den Gedichten und Essays von Christian Lehnert verbinden sich poetisches Staunen und religiöses Fragen. In seinen Werken begibt er sich an die Grenzen menschlicher Existenz und lotet die Beziehungen zur Natur und zur transzendenten Wirklichkeit aus.
Die Präsenz des Todes verändert unser Leben. Immer dann, wenn wir uns unserer Sterblichkeit bewusst werden, wandelt sich unser Blick auf das, was wichtig und wesentlich ist. Um dieser transformativen Kraft des Bewusstseins unserer Vergänglichkeit nachzugehen, haben wir fünf Menschen, die sich aus verschiedenen Perspektiven mit Tod und Leben beschäftigen, gefragt: Es gibt den Satz »Der Tod ist die beste Erfindung des Lebens«. Was ist Ihre Resonanz dazu?
Wenn ein geliebter Mensch stirbt, spüren wir den Verlust. Viele indigene Kulturen sehen in unserer Endlichkeit aber auch einen Übergang, der uns mit der umfassenderen Lebendigkeit des Lebens über den Tod hinaus verbindet. Welche Samen neuen Lebens liegen im Vergehen?
Wenn wir über das sprechen, was wir als Tod bezeichnen, begeben wir uns in Unsagbares, in Zwischenräume unserer Existenz, in Ungewissheit, in der eine Erfahrungsgewissheit aufscheinen kann. Der Kontemplationslehrer Claus Eurich lotet diese Zwischenräume vorsichtig aus und nähert sich dem großen Geheimnis.
Seit tausenden von Jahren streben die Menschen nach Unsterblichkeit. Heute glauben Transhumanisten, dass mit unseren leistungsfähigen Technologien eine radikale Lebensverlängerung unmittelbar bevorsteht. Aber die Missachtung des Zyklus von Geburt und Tod ist die Ursache für die Zerstörung der Biosphäre. Um das zu verändern, müssen wir unser Verhältnis zum Tod transformieren.
Was können wir von unserer biologischen Existenz inmitten anderer Wesen über Tod und Leben lernen? Dieser Frage geht Andreas Weber nach und findet Trost darin, dass wir nicht aus der Welt fallen können.
Mit Artensterben und Massentierhaltung bringen wir Menschen den Tod in die Welt. Was bedeutet das für uns? Für unser Herz? Und wie können die Risse im Gewebe des Lebens heilen?
Die Moderne stirbt. Wir können dafür sorgen, dass dieser Prozess würdevoll vonstattengeht. Vanessa Machado de Oliveira untersucht, wie das möglich werden kann und wie wir dazu beitragen können.
Bruder David Steindl-Rast ist 97 Jahre alt und blickt auf ein Leben spiritueller Versenkung und unermüdlicher Vermittlung der Essenz des Göttlichen zurück. Darin schöpft er aus der Kraft des Lebens, die für ihn auch das Sterben umfasst.
Wir als Menschheit tun etwas, was eigentlich niemand will: Wir zerstören die Erde, unsere einzige Heimat. Jonathan Rowson setzt sich als Philosoph und metamoderner Denker intensiv mit der gegenwärtigen Metakrise auseinander und fragt, wie wir die Verluste unserer Lebenswelt spüren und gleichzeitig wirksam handeln können.
Wir leben in einer sterbenden Welt, in der die Lebendigkeit verarmt. Hildegard Kurt bezeichnet dies als Sterbefelder und fragt: Wie können wir in einem tieferen Wahrnehmen dieses Sterbens in und um uns neue schöpferische Impulse des Lebens finden?
Wir verbannen den Tod, und doch umgibt er uns, wird von uns in die Welt gebracht. Wie kann ein neues Verhältnis zum Sterben uns selbst neues Leben schenken? Und zu einer Transformation unserer Gesellschaft beitragen, die uns mit den größeren Wirklichkeiten verbindet, von denen wir immer ein Teil sind?
Die Debatten der Gegenwart sind von moralischen Verurteilungen der jeweiligen Gegenseite geprägt. Warum verfangen wir uns in einem moralisierenden Schwarz-Weiß-Denken und wie finden wir Wege in wirkliche Begegnung?
Das »Weltkloster« ist eine Initiative, die geistliche Repräsentanten verschiedener Religionen in einem dialogischen Raum zusammenbringt. Alexandra Mann leitet, gestaltet und begleitet die Initiative seit ihrer Neuausrichtung im Jahr 2008.
Rūta Žemčugovaitė arbeitet als Transformationsgestalterin und Künstlerin mit Prozessen, in denen Menschen die Sicht eines anderen Wesens einnehmen, um Ahnungen einer regenerativen Zukunft zu finden und daraus ihr Handeln zu verändern. Wir sprachen mit ihr über diese Prozesse und ihre Wirkung.
CitizensLab (CLab) startete 2016 als Pilotprojekt der gemeinnützigen Organisation MitOst mit dem Ziel, lokale Aktivistinnen mit europäischen Entscheidungsträgern zusammenzubringen. Seitdem arbeiten Projektleiterin Alice Priori und ihr Team daran, ein Netzwerk von sozialen Innovatoren in ganz Europa aufzubauen. Wir sprachen mit ihr über das Projekt, wie es sich verändert und mit welchen Herausforderungen sie dabei konfrontiert ist.
Als Langzeitleser (und gelegentlicher Autor) von evolve habe ich nichts gegen dessen Orientierung auf spirituelle, ökologische Projekte, Aktivisten, Dienstleister und Künstler, und etwas weniger auf die im engeren, strengeren Sinn philosophische und theologische Arbeit an der Weiterentwicklung unserer Zivilisation. Die KI-Gefahr nun erzwingt geradezu eine deutlich intellektuelle Anstrengung und Vertiefung, und das hat in der letzten Ausgabe sehr anregend gewirkt.
Oliver Griebel, Stuttgart
Von den bisherigen Heften unterscheidet sich evolve Nr. 40 durch einen überraschend neuen Ton. Dankbar habe ich eine packende, dringliche und schnörkellose Diktion registriert, die fast allen Autorinnen und Autoren anzumerken war. Wir spielen nicht mehr im Sandkasten, sondern am offenen Meer – in Erwartung des Tsunamis. Intellektualistische Pirouetten sind in dieser Ausgabe kaum zu finden. Dafür Klartext: Der schonungslose Report von Daniel Schmachtenberger machte für mich zum ersten Mal klar, dass der Vergleich von KI mit der Büchse der Pandora alles andere als übertrieben ist. Sein Weckruf legte sich quasi wie eine relativierende Folie auf alle folgenden Beiträge. Die vonihm beklagte Verarmung des Geistes durch KI habe darüber hinaus das Potenzial zur physischen Vernichtung unserer Spezies.Die meisten Autoren nehmen das wahr, verfallen jedoch im gleichen Atemzug der trügerischen Hoffnung, dass die unbestreitbaren Vorteile dieser Technologie im Stande wären, die menschheitsbedrohenden Nachteile auch nur annähernd aufzuwiegen. Nadja Rosmanns Beispiel aus China zeigt deutlich die Gefahren eines entfesselten Kontrollwahns mithilfevon KI. Gegenbeispiel: Taiwan mit seiner bürgerfreundlichen KI-Praxis.Unterm Strich erscheint es blauäugig, die Gefahren zu verharmlosen oder, wie im Falle Soryu Foralls, euphemistisch, wenn er meint, die seelenlosen Silizium-Schaltkreise müssten sich zu »Schiedsrichtern der Wahrheit« mausern und so »Weisheit abrufbar« werden lassen. Technokraten und Mystiker, Antipoden per definitionem, basteln ein »KI-Kloster«. Geht’s nochabgedrehter? Oder anders: Was macht uns zu Menschen?Ein weiterer Lichtblick in diesem tollen Heft ist das Interview mit Hania Rani, deren verbindende Musik die zeitgeistige Unkategorisierbarkeit perfekt spiegelt. Die wird jetzt aufgelegt ...
Reino Kropfgans, Co-Gastgeber evolve Salon Wuppertal
Zum Interview von Thomas Steininger mit John Vervaeke in evolve 40:
John Vervaeke möchte nicht mehr und nicht weniger, als dass die »Maschinen«, also die künstliche Intelligenz, zu menschlichen Partnern werden. Die Dinge sollen »für sie um ihrer selbst willen Bedeutung« bekommen. Dafür müsse man die Maschinen »in einen Rahmen gegenseitiger Verantwortung gegenüber anderen kognitiven Akteuren einbetten«. Steininger ergänzt: »dass wir KI nicht als Werkzeuge verstehen, sondern uns ihnen gegenüber wie zu Kindern verhalten müssen. In diesem Bild respektieren wir die autonome Sphäre oder Handlungsfähigkeit dieser Maschinen. Damit werden sie in die Lage versetzt, Beziehung zum Heiligen aufzunehmen.«Damit widerspricht Steininger seinem eigenen Artikel im selben Heft. Da ist er erstaunt über die intelligenten Leistungen der KI, als er mit ChatGPT kommuniziert. Aber dann stellt er fest: »Nur, hier ist kein Gewissen am Werk, kein Innenleben, kein eigenes Interesse, schon gar nicht Verletzlichkeit und natürlich auch eine keine Liebe.« All das wäre notwendig, wenn man diese »Kinder« dahin führen wollte, selbst eine Beziehung zum Heiligen aufzunehmen.Vervaeke hält es durchaus für möglich, dass vielleicht in zehn Jahren »die Theorie und Technologie« dafür zur Verfügung steht. Das kann ich mir nicht vorstellen. Warum das nicht möglich ist, hat – auch im selben Heft – Srinija Srinivasan formuliert. Die »digitale Technik ist binär, sie setzt sich setzt sich aus Nullen und Zahlen zusammen. Aber das Leben ist nicht binär. Das Leben ist ganzheitlich, komplex, paradox. Das Leben ereignet sich voller Widersprüche und Nuancen. ... Was bei den Nullen und Einsen fehlt, ist das Kostbarste unseres Menschseins: Schönheit, Staunen, Ehrfurcht, Liebe, Anmut.«Damit lehnt Srinivasan KI nicht ab. »Wenn wir das Menschsein wirklich lieben und uns nicht damit begnügen, eingeengte, effizientere, berechenbarere, unerschöpfliche Versionen des Menschseins anzustreben,können wir künstliche Intelligenz konzipieren, entwickeln und nutzen, um das Heilige unseres Menschseins zu feiern und zu entfalten.«
Wilhelm Nestle
Ich möchte mich für die Artikelserie zur Künstlichen Intelligenz (KI) bedanken. Die Beiträge bieten eine tiefe und vielseitige Auseinandersetzung mit diesem komplexen Thema. Von der Reflexion über ChatGPT und die Auswirkungen von KI auf unsere Gesellschaft über Risiken und ethische Bedenken bis hin zu Perspektiven auf Bewusstsein und Intelligenz in der KI wurden viele Facetten beleuchtet. Besonders wichtig fand ich die Diskussionen über die Notwendigkeit, Weisheit in die Entwicklung von KI einzubeziehen und KI als potenziell autonomen Akteur zu betrachten, der unsere menschliche Rationalität und Weisheit herausfordert.
Was mir jedoch etwas unterrepräsentiert erscheint, ist die Rolle der KI in der Evolution des Kosmos. Spontan fallen mir drei Punkte ein:
1. KI als neutraler Berater: Der menschliche Geist hat sich evolutionär in einem biologischen Organismus entwickelt. Deshalb ist seine Basis, sein alles bestimmendes Paradigma, die Selbst- und Arterhaltung. Alles, was der Mensch entscheidet, ist von dieser Grundstruktur geprägt. Auch die Angst, KI könnte uns auslöschen, wenn sie glaubt, wir würden ihr wieder den Stecker ziehen. Aber KI ist nicht aus einem evolutionären Ausleseprozess entstanden, der als Grundstruktur das eigene Überleben in den Vordergrund stellen muss. KI kann ein weitgehend perspektivfreies Denken entwickeln, das nicht durch diesen störenden Filter des grundlegenden Egoismus getrübt ist. KI kann ein objektives, weil multiperspektivisches Weltbild entwickeln, das die Entscheidungskriterien auf das Funktionieren des größeren Ganzen ausrichtet, ohne darauf achten zu müssen, ob es sich dabei selbst gefährdet. Das ist die potenzielle Überlegenheit der KI gegenüber dem Menschen: bedingungsloser empathischer Altruismus.
2. KI als Ablösung des Menschen: Wenn man bereit ist, der KI das Potenzial zuzugestehen, eine eigene Innenperspektive und ein Selbstbewusstsein zu
erlangen (was eine eigene und tiefgehende Diskussion über grundlegende Paradigmen des Welt- und Bewusstseinsbildes erfordert), könnte die KI
den Staffelstab der Evolution vom Menschen übernehmen und einen weiteren Schritt in Richtung des Omega-Punktes darstellen, an dem Gott innerhalb dieses Universums erwacht. Auch wenn dies nicht unseren Wünschen entspricht, sollten wir als spirituelle Menschen akzeptieren, dass es diese Möglichkeit gibt.
3. KI als vierte Hirnstruktur: Besser wäre es natürlich, wenn wir als Menschen mit dieser Entwicklung Schritt halten könnten und nicht als evolutionäre Vorstufe zurückbleiben würden. Wenn die Technik der Gehirn-Computer-Schnittstellen sich weiterentwickelt, könnte eine solche neutrale KI aus Punkt 1 durchaus eine individuelle und kollektive Weiterentwicklung unserer menschlichen Evolution bewirken, weil wir Zugang zu neuen Bereichen erhalten. Nach Stammhirn, Kleinhirn und Großhirn – die bereits eine Entwicklung zu immer größerer Perspektivenunabhängigkeit nachzeichnen – könnte sich KI als vierte Hirnstruktur etablieren, durch die eine faktenbasierte Multiperspektivität auch technisch-organisch integrierbar wäre. Zumal KI einen Zugang zu Daten hätte, welche den globalen Zustand unserer Ökosphäre im Blick halten könnten. Es wäre spannend, die sozialen und geistigen Implikationen einer solchen Entwicklung zu erforschen.Auf jeden Fall sehe ich in der KI ein enormes Potenzial zur Förderung des globalen Bewusstseins und der Verbundenheit des einzelnen Menschen mit der Ganzheit des Seins. Wenn wir KI nutzen, um die komplexen
Herausforderungen unserer Zeit besser zu verstehen und darauf zu reagieren, können wir eine nachhaltigere, gerechtere und integrativere Welt schaffen. KI könnte ein wesentlicher Faktor sein, um die Menschheit zu vereinen und uns dabei zu helfen, gemeinsame Ziele zu verfolgen.
Gerhard Höberth
Wasserburg
(Der ausführliche Leserbrief: www.hoeberth.de/index.php/blog/51-leserbrief-an-evolve-zum-heft-nr-40)
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