Bilder im Kopf

Our Emotional Participation in the World
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Interview
Published On:

November 5, 2018

Featuring:
Bianca Froese-Acquaye
Edgar Froese
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Issue:
Ausgabe 20 / 2018:
|
November 2018
Die Bewusstseinsmaschine
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Ein Interview mit Bianca Froese-Acquaye

Diese Ausgabe von evolve haben wir mit Arbeiten des Musikers und Grafikkünstlers Edgar Froese gestaltet. Er wurde als Gründer und kreativer Kopf der Band Tangerine Dream bekannt, die als Pioniere der elektronischen Musik gelten. Edgar Froese verstarb 2015. Wir sprachen mit seiner Frau, der Malerin und Bandmanagerin von Tangerine Dream Bianca Froese-Acquaye, über seine Kunst.

evolve: Edgar Froese ist vor allem als Musiker und Gründer von Tangerine Dream bekannt. Daneben hat er auch grafische Kunst gestaltet. Wie war sein Kunstverständnis in dieser Verbindung verschiedener Ausdrucksformen?

Bianca Froese-Acquaye: Für Edgar war es ganz natürlich, die verschiedenen Kunstgenres wie visuelle Kunst und Musik miteinander zu verbinden. Ursprünglich hatte er Bildhauerei und Grafik an der Berliner Akademie der Künste studiert. Er merkte irgendwann, dass er seine Vorstellung von dem, was er ausdrücken möchte, in diesen Medien nicht so gut umsetzen konnte. Deshalb vertiefte er sich mehr und mehr in die Musik, lernte Instrumente und spürte, dass er sich mit Musik wesentlich besser ausdrücken konnte.

Mit Tangerine Deam machte er reine Instrumentalmusik, die dem Hörer sehr viel Spielraum für eigene Visionen, für eigene Kreativität, für eigene Bilder lässt. Auch sagen viele Fans, dass diese Musik Bilder im Kopf erzeugt. Und hier ist wieder eine Verbindung zur visuellen Kunst, die beim Hören dieser Musik in den Köpfen des Publikums entsteht. Nicht umsonst haben in den 80er­Jahren auch Hollywood­Regisseure für ihre Filme auf diese Musik zurückgegriffen.

e: Wie kam es dazu, dass Edgar Froese auch visuelle Arbeiten gestaltet hat?

BFA: Edgar und ich haben uns 2000 kennengelernt, und ich bin Malerin. Edgar hatte mir den Auftrag gegeben, eine Bilderserie über »Die göttliche Komödie« zu malen und komponierte parallel dazu die Musik. Mich malen zu sehen, beflügelte ihn so, dass er auch wieder gestalterisch arbeiten wollte. Er nutzte dafür Photoshop. Mit der Software konnte er sowieso umgehen, denn wenn man mit Musiksoftware arbeitet, muss man immer am Puls der Zeit sein.

Anfang der 2000er stellten wir zum Beispiel in unserer eigenen Galerie in Berlin­Schöneberg, in der Urania in Wien oder im Theater Brandenburg aus. Dort wurde auch Edgars Dante­Komposition uraufgeführt und gleichzeitig gab es im Foyer des Theaters eine Ausstellung.

e: Weißt du, wie er an seine visuellen Werke heranging? War es ein Thema, das er dann umsetzen wollte oder eher ein offener Prozess?

BFA: In Bezug zur Musik und zur Grafik sagte er immer zu mir, er sei wie ein »Durchlauferhitzer«. Er war ein sehr intuitiver Mensch und hatte plötzlich Eingaben und Einfälle, die er dann umsetzte. Es verging kein Tag, an dem er nicht komponierte. Selbst wenn wir im Urlaub waren, hatte er sein kleines Keyboard dabei. Wenn er einen Einfall hatte, nahm er es sofort auf. So war es auch mit seinen Grafiken. Er hatte eine unglaubliche Quelle an Kreativität in sich; er war im Flow.

In Bezug zur Musik und zur Grafik sagte Edgar immer zu mir, er sei wie ein »Durchlauferhitzer«.

e: Was wollte er mit seiner Kunst ausdrücken?

BFA:  Edgar war schon immer ein Sucher, das zog sich wie ein roter Faden durch sein ganzes Leben. Er war philosophisch und spirituell sehr interessiert und bewandert. Er interessierte sich für die Weltreligionen, für das Ur-Christentum, den Buddhismus, Hinduismus, das Sufitum. Er las sehr viel und war wirklich eine wandelnde Bibliothek. Und er meditierte auch auf seine Art: Unseren großen Garten hatte er im Zen-Stil angelegt und seine Meditation war die Gartenarbeit. Das war dann etwas ganz Irdisches, der Umgang mit Erde, das hat ihn geerdet. 

Edgar war im Grunde genommen alles gleichzeitig: Philosoph, Musiker, Grafiker. Und dieses innere Suchen floss natürlich immer in seine Arbeiten, in seine Musik und seine Grafiken mit ein. Seine Musik enthielt auch Botschaften und sie gab und gibt den Fans noch heute sehr viel Hoffnung, weil darin etwas sehr Positives mitschwingt. Das ist das Feedback, das wir von den Fans bekommen. Wir erhalten zum Beispiel viele Briefe aus Krankenhäusern, in denen die Menschen schreiben, dass ihnen die Musik Kraft gibt.

Und ich denke, zum Ende seines Lebens ist er dem Ziel seiner Suche auch sehr nahegekommen. Er war ein sehr weiser Mann, das sage ich jetzt nicht nur, weil ich seine Frau war.

Author:
Mike Kauschke
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