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February 2, 2024

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Ausgabe 41/2024
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February 2024
Leben, Tod
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Wie François Demange seinen Weg zur Heilung fand

Der Lebensweg von François ­Demange erzählt die Geschichte einer tiefgreifenden Transformation – vom Durchgang durch eine zerrüttete Kindheit, durch tiefe persönliche Prüfungen hin zu einem spirituellen Erwachen und der Heilung als Praktizierender indigener Weisheit. Geboren 1968 in Paris in einer bürgerlichen Familie, wuchs François in einem, wie er es selbst nennt, »dysfunktionalen Liebesnest« auf, in dem die Ehe seiner Eltern schnell zerbrach und es ihm an Sicherheit und Seelennahrung mangelte. Die emotionale Instabilität seiner prägenden Kindheitsjahre hinterließ unauslöschliche Spuren in seiner Seele, die von einer tiefsitzenden Angst vor Verlust geprägt waren.

Nach der Trennung seiner Eltern lebte er zunächst bei seinem Vater und wechselte dann im Alter von elf Jahren in ein Internat, wo er für seine Freundlichkeit und seine Fähigkeit bekannt war, mit denjenigen in Kontakt zu treten, die von anderen oft ignoriert wurden – François war der Junge, der dem Hausmeister der Schule Geschenke machte oder der mit dem einzigen schwarzen Schüler spielte, mit dem niemand sonst etwas zu tun haben wollte. Doch obwohl er materiell gut versorgt war, blieb in seinem Leben eine emotionale Leere.

Als er dann 15 Jahre alt war, ergab sich eine Gelegenheit: Ein Freund hatte in letzter Minute abgesagt, und so wurde François eingeladen, mit seinem sechs Jahre älteren Bruder nach Indien zu reisen. Diese sechswöchige Reise erwies sich als ein Schlüsselerlebnis, bei dem er verschiedene Kulturen und spirituelle Praktiken kennenlernte. »Ich war so überwältigt davon, wie anders alles war, dass ich nach der Landung drei bis vier Tage lang nicht sprechen konnte«, erzählt er. Dennoch beschreibt er diese Wochen als eine Zeit des tiefgreifenden Wachstums: Der krasse Gegensatz zwischen dem Leben der Menschen in Indien und Nepal – die Freundlichkeit in ihrem Lächeln, die Schönheit der Berge und Tempel, die extreme Armut, die Intimität der Spiritualität und der Verbindung im täglichen Leben – und seinem eigenen Leben in Paris eröffneten ihm neue Sichtweisen auf die Welt. »Ich kam geerdet, mitfühlender und mit einer neuen Perspektive auf das Übermaß an Wohlstand in Westeuropa zurück. Ich hatte einen neuen Herzensraum erfahren.«

»Unsere Entwicklung geht in Richtung Fluidität – eine ko-kreative Energie auf dem Weg des Erwachens.«

Angetrieben von einem tiefen Bedürfnis nach Verbindung wandte sich François nach seiner Rückkehr nach Frankreich jedoch zunächst dem übermäßigen Konsum von Drogen zu. Er begann, viel Haschisch zu rauchen, um den gestressten Teil in sich zu beruhigen, der sich nicht gut genug fühlte und immer wieder über die frühe Trennung von seiner Mutter trauerte. So geriet er in die Pariser Partyszene, wo seine Suche in die Heroinsucht führte. Trotz dieser Abwärtsspirale schloss er die Schule ab, begann ein Universitätsstudium und reiste weiterhin ausgiebig, um seiner Sehnsucht nach spirituellen Erfahrungen nachzugehen und sich mit verschiedenen Kulturen wie etwa in Mexiko, Indonesien, Thailand oder Singapur zu verbinden. »Ich war hin- und hergerissen zwischen der Pariser Partyszene, der Spiritualität und den Verpflichtungen des Lebens«, sagt er heute.

Mit 21 Jahren wurde François aufgrund seiner schlechten Noten zum Militärdienst verpflichtet, was für ihn einen weiteren Wendepunkt darstellte. Beim Militär kämpfte er mit Autoritätsproblemen und fand seinen Platz nicht. Die Situation stresste ihn so sehr, dass ihm die Haare ausfielen, er nicht mehr normal sprechen konnte und er sich in einem Schockzustand befand, in dem er das Gefühl hatte, nicht zu wissen, wie er sich in dieser Welt je zurechtfinden sollte. Nach einem Jahr konnte er seinen Dienst beenden und beschloss, nach Brasilien zu gehen. Sein Vater, der nicht mehr wusste, was er tun sollte, unterstützte diese Reise. Trotz des Tapetenwechsels fühlte sich François jedoch weiterhin unwohl in seiner Haut und hatte das Gefühl, nicht dazuzugehören. Er wollte mit den Menschen und der Kultur um ihn herum in Kontakt treten, die Sambaschule erkunden und Musik machen, aber er verfügte einfach nicht über ausreichende Antriebskraft und Positivität, um solche Kontakte zu knüpfen. Er lebte schließlich auf den Straßen von Rio de Janeiro, wo er in der Gemeinschaft der Ausgestoßenen ein Gefühl der Zugehörigkeit fand und eine andere Lebensweise entdeckte, die zugleich beängstigend und kraftvoll war. »Nichts zu haben und alles zu haben, gab mir ein Gefühl der Zugehörigkeit zum Leben.« Nach einigen Monaten wurde er von den Verbindungen, die er in Salvador geknüpft hatte, zur afro-brasilianischen Religion Candomblé geführt. Hier tauchte er in die lokale Kultur ein, lernte den Capoeira-Kampftanz, beschäftigte sich mit Musik und nahm an spirituellen Tänzen und Heilungszeremonien teil. Nach etwa sechs Monaten fühlte er sich erfrischt und bereit, nach Paris zurückzukehren.

Wieder in Frankreich begann François im Kosmetikunternehmen seines Vaters zu arbeiten. Die Dinge liefen gut, und bald darauf verliebte er sich sogar. Auch sein Vater mochte seine Freundin, die aus Kolumbien stammte, und für kurze Zeit schien es, als habe er vielleicht endlich einen Weg gefunden, gut in der Welt zu leben. Es dauerte jedoch nicht lange, bis die alten Freunde wieder auftauchten und François sich erneut den Drogen hingab, die er hoffte hinter sich gelassen zu haben. Als sein Vater dann bei einem Lawinenunglück plötzlich ums Leben kam, brachten dieser Verlust und das gemeinsame Erbe des Familienunternehmens eine ganze Reihe neuer Herausforderungen mit sich. Von einem Tag auf den anderen nahmen Geld und Macht einen anderen Stellenwert in seinem Leben ein, und er wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Erneut erwachte in ihm die Sehnsucht, ins Leben hinauszugehen, Spiritualität zu spüren, Musik zu machen, zu tanzen und die Wellen und den Wind zu erleben, doch diesmal fühlte er sich in Verpflichtungen gefangen. Obwohl er seine kolumbianische Freundin heiratete und Verantwortung in der Firma übernahm, verfiel er wieder dem Drogenmissbrauch, bis sein Leben außer Kontrolle geriet. Nach einem völligen Zusammenbruch zogen François und seine Frau nach Kolumbien, wo er hoffte, neu anfangen zu können.

Doch in Kolumbien stürzte er schließlich ins Bodenlose. Nachdem seine Ehe in die Brüche gegangen war, verbrachte er immer mehr Zeit mit Partys und dem Konsum verschiedener Drogen. »Ich verlor meinen Verstand und wurde völlig psychotisch«, erzählt er. »Ich hatte tagsüber Halluzinationen, hielt Leute auf der Straße an, weil ich sie zu kennen glaubte, und rief Leute an, um ihnen zu sagen, dass eine Katastrophe bevorstehe.« Nachdem er mitten in der Nacht aus einem Fenster im zweiten Stock gesprungen war, kam François ins Krankenhaus und beschloss, eine Reha zu machen. Es war ironischerweise während seiner Zeit in der Reha, dass er endgültig seinen absoluten Tiefpunkt erreichte. Die Einrichtung befand sich in Medellin, wo er wohnte, und nach ein paar Nächten vergaß man die Tür abzuschließen. So verließ er die Reha-Einrichtung und ging zurück in seine Wohnung. »Ich nahm eine Überdosis, verließ meinen Körper, sah das Licht und wusste, dass ich sterben würde. Aber irgendwie kam ich zurück, und ich habe nie wieder eine Nadel angefasst.«

Nach seiner Rückkehr in die Reha und dem Abschluss seines Entzugs einen Monat später wusste François, dass er etwas Sinnvolleres tun und glücklich sein wollte. Das zufällige Wiederauftauchen eines Briefes beim Räumen seiner Wohnung führte ihn nach Peru, wo er eine 15-jährige Ausbildung in indigenem Schamanismus und Ayahuasca-Pflanzenmedizin begann. Seine Zeit in Peru war transformativ, geprägt von tiefem Lernen und einer Wiederverbindung mit der Natur und spirituellen Praktiken. In einem ländlichen Retreat-Zentrum wechselten sich acht- bis zehntägige »dietas« (eine bestimmte Art von asketischem Leben im Wald ohne Salz, Zucker oder Kontakt mit Menschen) mit Zeremonien der Pflanzenmedizin ab. Hier waren die Anforderungen der Lehre und des Lernens sehr hoch. Das Zentrum wurde von einem westlichen Team geleitet, aber da François fließend Spanisch sprach und über vielfältige interkulturelle Erfahrungen verfügte, konnte er sich leicht mit den örtlichen Heilern und Schamanen vernetzen, seine eigenen Verbindungen herstellen und Beziehungen außerhalb des Zentrums aufbauen. Er wurde Vater und schaffte es, seine familiären Pflichten mit seinem Engagement für spirituelles Wachstum in Einklang zu bringen.

Heute, mit einem Master-Abschluss in Anthropologie und 27 Jahren direkter Erfahrung mit Ayahuasca, weiß François, dass die Pflanzenmedizin nicht nur ein Weg ist, um abzuschalten. »Die Ayahuasca-Zeremonie bewirkt irgendwie etwas Einschneidendes in uns«, sagt er. »Ich glaube, dass die Zeremonie, das Ritual, die Sprache und die Teilnahme uns dabei helfen, etwas zu verkörpern, was das anhaltende Entstehen der Verbundenheit erleichtert.«

Auch heute hält das tägliche Leben weiterhin Herausforderungen bereit. François, der inzwischen mit einer Ärztin für Naturheilkunde verheiratet ist, lebt mit ihr und zwei Kindern im Hinterland von New York. Gemeinsam leiten sie eine gemeinnützige Organisation namens Sacred Ways Foundation, die sich auf Gegenseitigkeit mit indigenen Medizinfamilien konzentriert, und veranstalten weiterhin Zeremonien und Heilkreise. François’ Arbeit konzentriert sich darauf, die Kluft zwischen moderner Getrenntheit und indigener Weisheit zu überbrücken, um die verkörperte Verbundenheit zu fördern. Er geht der Frage nach, wie es weitergehen kann und wie wir zusammenkommen können, um unser postmodernes Paradigma der Trennung zu verlassen.

Im Rückblick auf seine Reise unterstreicht François die Bedeutung des kollektiven Erwachens und die Rolle heiliger Praktiken bei der Erleichterung dieser Transformation. Er glaubt an die Kraft der Zirkularität und Fluidität in menschlichen Interaktionen und an das Erwachen des kollektiven Bewusstseins. »Viele der heutigen Lehren folgen einer Pyramidenform: An der Spitze befindet sich ein Ort der Macht, der von einem darunter liegenden System gespeist wird. An der Spitze steht die Beziehung zur Weisheit und die Position, andere zu führen. Ich glaube, unsere Entwicklung geht in Richtung Zirkularität und Fluidität – eine kollektive, ko-kreative Energie auf dem Weg des Erwachens«, erklärt er. »Ich hoffe, dass die Menschen die Fähigkeit haben, Altes zu überwinden, und dass unsere Arbeit den Menschen helfen wird, sich wieder an ihre Verbundenheit zu erinnern und in Verbindung zu leben. Wir haben Glück, am Leben zu sein.«

Author:
Miranda Perrone
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