Wenn Farben singen

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Interview|Profile
Published On:

February 2, 2024

Featuring:
Tamara Dean
Categories of Inquiry:
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Issue:
Ausgabe 41/2024
|
February 2024
Leben, Tod
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Ein Interview mit der Fotografin Tamara Dean.

evolve: Wie findest du die Themen oder Vorstellungen für bestimmte Werke oder Werkserien?

Tamara Dean: Das hat sich ganz organisch entwickelt. Mein erstes konzeptionelles Werk hieß »Ritualism«. Das war der Punkt in meinem Leben, an dem ich mich fragte, welche Rolle die Spiritualität im heutigen Leben spielt. Ich stellte mir Fragen zu meiner Existenz. Alle meine Arbeiten sind Teil einer Geschichte, die sich auf mein Leben, mein Denken oder meine Sorgen bezieht. Diese Geschichten und die Fotografie verschmelzen miteinander.

e: In deinen Werken geht es oft um die Beziehung zwischen Mensch und Natur. Warum kommst du immer wieder auf dieses Thema zurück?

TD: Weil ich das Gefühl habe, dass in unserer westlichen Kultur das Gefühl vorherrscht, dass wir von der Natur getrennt sind. Das hat dazu geführt, dass die Menschheit die Sensitivität und den Wert unserer natürlichen Umwelt missachtet hat. Ich hoffe, dass ich Menschen dazu motivieren kann, sich um die Umwelt zu kümmern, indem ich ihnen das Gefühl vermittle, ein Teil der Natur zu sein und nicht außerhalb von ihr zu stehen. Es braucht viele Menschen, die sich um die Umwelt kümmern, um sie – und uns – zu retten.

e: Auf vielen deiner Bilder sind die Menschen nackt. Welche Rolle spielt die Verletzlichkeit und Intimität des nackten Körpers in der Natur in deiner Arbeit?

TD: Verletzlichkeit ist definitiv ein Wort, das ich verwenden würde, vor allem in meiner Serie »Endangered«, in der ich zu zeigen versuchte, wie verletzlich der Mensch in der Umwelt ist. Ich habe den menschlichen Körper mit einem Fischschwarm verglichen und gezeigt, wie zerbrechlich wir unbekleidet sind, gar nicht so anders als andere Tiere, sogar Fische. Indem die Menschen unbekleidet sind, kann auch das Gefühl für die Zeit verloren gehen. Es hat etwas Zeitloses an sich. Man kann es sich als Vergangenheit oder Zukunft vorstellen, aber es passt nicht unbedingt in unser heutiges Alltagsleben. Es geht nicht mehr um eine Person oder eine Persönlichkeit, sondern um den Menschen, die Menschheit und ihre Beziehung zur Umwelt.

»Alle meine Arbeiten sind Teil einer Geschichte, die sich auf mein Leben bezieht.«

e: In deinen Unterwasserarbeiten hast du Stillleben oder Menschen in schwimmenden Bewegungen erforscht. Was fasziniert dich an dieser Technik?

TD: Mit meiner Serie »Palace of Dreams« war ich in der Lage, etwas Abstrakteres zu zeigen. Ich habe versucht, eine Emotion und ein Gefühl einzufangen, wie in einer auf dem Kopf stehenden Welt, in der man nicht weiß, was auf einen zukommt: Was ist oben? Was ist unten? Indem ich die Horizontlinie und die Orientierung von oben oder unten wegnahm, konnte ich das Gefühl ausdrücken, das ich in dieser Zeit hatte, in der ich ziemlich verängstigt und unsicher war, wie es weitergehen würde.

In der uns bekannten Welt gibt es viele Dinge, derer wir uns sicher sind. Die Schwerkraft ist eines davon. Wir haben Erwartungen daran, wie sich Objekte bewegen und reagieren werden. Es war eine wahre Freude, die Beziehung zwischen den Objekten, dem Wasser und den Spiegelungen neu zu entdecken. Selbst so einfache Dinge wie eine Pflanze namens Elefantenohr, die an unserem kleinen Teich wächst, lösen bei mir immer wieder Verwunderung aus. In einem meiner Werke habe ich ein Blatt dieser Pflanze genommen und meinen Sohn gebeten, es ins Wasser zu tauchen, ohne zu ahnen, dass es dort nicht grün sein würde. Da das Blatt wasserabweisend ist, war es silberfarben und tanzte im Wasser umher. Einfach wunderschön. Solche kleinen Überraschungen gibt es immer wieder, wenn ich Objekte ins Wasser tauche.

e: Viele deiner Werke haben eine transzendente Qualität, ein Leuchten, das nicht von dieser Welt zu sein scheint. Ist eine spirituelle Verbindung in irgendeiner Weise Teil deiner Arbeit und des Prozesses, in dem sie entstehen?

TD: Wenn ich die Arbeiten gestalte, ­habe ich kein Gefühl für diese Dimension. Es fühlt sich nicht wie ein transzendenter Moment an. Es ist eine sehr praktische Herangehensweise mit den Kameras und dem Timing. Aber ich strebe danach, Bilder zu schaffen, die diese Energie in sich tragen. Und für mich geht es darum, demjenigen, den ich fotografiere, oder dem, was ich fotografiere, einen Schritt näher zu kommen. Ich versuche, etwas Subtileres zum Ausdruck zu bringen, was ich mit den physischen Attributen des Fotos nicht zeigen kann. Ich versuche, das Herz oder die Seele der Person zu zeigen, die ich fotografiere, und das, womit sie zu tun hat. Es ist nicht so, dass ich auf Gott zeige oder versuche, eine religiöse Aussage zu machen. Es geht darum, die Gefühle auszudrücken, die wir empfinden.

Author:
Mike Kauschke
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