Brücken zum Unsichtbaren

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Interview|Profile
Published On:

July 21, 2016

Featuring:
Gam Klutier
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Ausgabe 11 / 2016:
|
July 2016
Lebendigkeit
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Diese Ausgabe haben wir mit Arbeiten des Künstlers Gam Klutier gestaltet. Wir sprachen mit ihm über die Beweggründe seiner Kunst.

evolve: Welche Absicht steht hinter Ihrer Kunst?

Gam Klutier: Ich suche immer nach der unsichtbaren Welt, nach dem, was wir nicht sehen können.Wir können es so gut spüren, aber wir sehen es nicht. Ich möchte eine Brückeschlagen zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren. Ich möchte diematerielle Welt mit der geistigen Welt zusammenbringen – mit der Welt, die unsSchönheit, Harmonie, Frieden bringt. Ich möchte den Aspekt in mir zum Ausdruckbringen, der sich ebenfalls nach Schönheit, Harmonie und Frieden sehnt.

Mein Antrieb als Maler basiert auf der Spannung, die sich zwischen meiner äußerenund meiner inneren Welt entwickelt hat. Die Diskrepanzen, Konflikte undgegenwärtigen Entwicklungen in der »Welt« stehen in starkem Kontrast zu meinempersönlichen Ziel, nämlich spirituelles Verstehen, Verhalten und Handelngegenüber Menschen und Natur. Ich bin zu dem Schluss gelangt, dass dieGeschichte, die Fakten des menschlichen Lebens sehr relativ werden, wenn wirsie im Kontext unseres kosmischen Wesens betrachten. Ich versuche, dieRelativität unseres menschlichen Zugangs zum Leben zu vermitteln. Michinspiriert das Wesentliche, das Unsichtbare, das für diese Schöpfungverantwortlich ist.

e: Wie erleben Sie in Ihrer Arbeit den kreativen Prozess?

GK: Ichsehe mich als denjenigen, der transformiert. Energie kommt herein, ichtransformiere diese Energie und sie wird zu meiner Arbeit – sie ist präsent,sie ist energetisch, sie ist lebendig, manchmal fließt sie über von den Dingen,die ich erlebe, manchmal fließt sie über von Dingen, die ich noch nie gesehenhabe. Ich fühle mich wie ein kleines Instrument. Ich habe gelernt, mit demPinsel umzugehen, und auf diese Weise nutze ich diese Energie. Es ist nicht so,dass ich etwas weiß und etwas sehe und etwas will. Es ist eher so, dass ichloslasse und es durchlasse.

Im kreativenProzess musst du all die Dinge loslassen, die du zu wissen glaubst.

Malen ist auch ein schmerzhafter Prozess, vielleicht deswegen, weil du dich von allementfernen musst, was du denkst. Das Malen will dich an den Punkt bringen, andem du nicht mehr weißt, was du tun sollst. Das ist der einzige Punkt, an demein Anfang möglich ist. Jedes Mal, wenn du dich in diesen kreativen Prozessbegibst, musst du all die Dinge loslassen, die du zu wissen glaubst. Und dannklopft etwas bei dir an und bringt dich dazu, es zu tun. Du kannst es nichtwirklich machen. Etwas übernimmt die Kontrolle. Aber du musst in diesem Bootsitzen und du musst zulassen, dass es über diese Klippe fährt. Aber weil du eswieder und wieder erlebt hast, spürst du Vertrauen. Selbst wenn es so aussieht,als würde sich dieses Mal nichts zeigen, du weißt einfach: Wenn du nichtaufhörst, zeigt sich etwas.

e: Ihre größten Arbeiten sind Wandgemälde für Kuppeln, die Sie ­bauen. Was ist dieIdee hinter dieser Art von Räumen?

GK: Bislang habe ich zwei Kuppeln gebaut. Insgesamt sollen es sieben werden, in allen Teilen der Erde.Jede soll innen anders gestaltet sein. Als Orte des Friedens und der Innenschau. Wo ein Besucher für einen Moment aus der Welt heraustreten und demHerzen und den Gedanken ein bisschen frische Luft gönnen kann. Die Innenwändeder Kuppeln sind mit einem großen Wandbild bemalt. Ein begehbares Gemälde. EinOrt der Ehrfurcht. Und in der Mitte des Doms ein Blick in den Himmel. Vor zehnJahren wurde die erste dieser Kuppeln in Pulpos erbaut, 50 Kilometer südlichvon Lima. Bald entwickelte sich das Innere: ein 36 Meter langes und 3,60 Meterhohes Wandbild. 2014 wurde die zweite Kuppel errichtet, in der Findacion Niñosde Arco Iris in Urubamba, dem heiligen Tal der Inkas. Sie wurde zur Heimat desWandbildes »Geboren, um zu strahlen«. Sie dient als Ort, wo benachteiligteKinder aus Problemfamilien sich selbst ausdrücken können, in Tanz, Theater,Musik und bildender Kunst. Wo Kinder und Eltern, von geschulten Betreuernangeleitet, neue Verbindungen miteinander knüpfen können, sodass die Hoffnungwieder wachsen kann.

Ein Wandbild von dieser Größe zu malen, ist eine ziemliche Heraus­forderung. Esist, als wollte man den Mount Everest von der falschen Seite aus besteigen.Aufregend und beängstigend. Aber die Herausforderung zieht mich an. Werde iches schaffen, meinen Weg durch all die Höhen und Tiefen zu malen, sodass am Endeetwas Wertvolles herauskommt? Was immer das auch sein mag. Und dann ist da eintiefes Gefühl der Dankbarkeit, dass ich zu einem neuen Werk geführt wurde, dasbereit ist, ein Teil dieser Welt zu werden.

Das Gespräch führte Mike Kauschke.

Author:
Mike Kauschke
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