Erfahrungsräume der Einheit

Our Emotional Participation in the World
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Interview
Published On:

January 31, 2019

Featuring:
Gert Scobel
William James
Dalai Lama
Matthieu Ricard
Jürgen Habermas
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Issue:
Ausgabe 21 / 2019:
|
January 2019
Die Zukunft der Religion
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Über eine Ethik des Erwachens

In seinem neuen Buch »NichtDenken« weist der TV-Journalist, Philosoph und Zen-Praktizierende Gert Scobel auf die Bedeutung von Erfahrungen des Erwachens hin, wie sie in spirituellen Traditionen vermittelt und gepflegt werden. Für ihn haben sie auch eine große Relevanz für die vielen gesellschaftlichen Transformationen, vor denen wir heute stehen.

Zwischen Religionen, die immer institutionell verfasst sind und religiösen Gefühlen besteht keine vollständige Trennung.

evolve: Als Journalist beschäftigen Sie sich intensiv mit gesellschaftlichen Fragen, als Philosoph reflektieren Sie in Ihren Publikationen über Weisheit und die Komplexität unserer Zeit und als Zen-Übender sind Sie auch mit der Wirksamkeit von Achtsamkeit und spiritueller Schulung befasst. Wie sehen Sie als jemand, der an diesem Schnittpunkt tätig ist, die Relevanz der Religion in der heutigen Zeit? Insbesondere, wenn wir Religion nicht nur als die organisierten, institutionellen Ausdrucksformen verstehen, sondern im Sinne einer religiösen Grundempfindung des Menschen? Denken Sie, dass religiöse Institutionen in unserer säkularen Zeit und unseren demokratischen, pluralen Gesellschaften noch einen Resonanzraum dafür geben können oder braucht es neue Formen des Ausdrucks?

Gert Scobel: Meines Erachtens beruht zumindest ein Teil Ihrer Frage auf einer problematischen Voraussetzung, denn zwischen Religionen, die immer institutionell verfasst sind und religiösen Gefühlen besteht keine vollständige Trennung. Die Menschen, die diese Gefühle haben, sind immer mehr oder weniger stark verbundene Teile einer Gemeinschaft, die ihre Gefühle mitprägt – auch die, die man religiös nennt. Insofern ist die Vorstellung, man könne religiöse Gefühle von religiösen Institutionen lösen, irreführend. Gemeinschaft gehört, selbst in lockerer Form, zur Definition von Religion, die insofern latent und meistens auch explizit institutionell ist. Die Idee, es gäbe religiöse Menschen, die außerhalb der religiösen Institutionen oder Gemeinschaften stehen, halte ich für falsch.

Ich würde die Frage daher präzisieren: Gibt es eher eine Zukunft der Erfahrungen oder Übungen, die religiös konnotiert sind, oder eine Zukunft der Institutionen? Bei der Frage nach den Erfahrungen stehe ich ganz auf der Seite von William James und seinem Buch »Die Vielfalt religiöser Erfahrung«, das meiner Ansicht nach noch nicht völlig im Westen angekommen ist. Wir diskutieren immer noch über dogmatische Systeme und nicht über die Ähnlichkeit oder Parallelen in den Erfahrungen, die diesen dogmatischen Systemen zugrunde liegen.

Zum zweiten Teil der Frage nach den Institutionen gibt es gute Gründe für die Annahme, dass sie nie ganz verschwinden werden. Es wird immer Leute geben, die die Dogmatik, die mit einer Institution verbunden ist, brauchen, um Orientierung in ihrem Leben zu finden. Insofern haben religiöse Institutionen immer auch eine implizit politische Bedeutung in Gesellschaften, obwohl diese vor allem in säkularen Gesellschaften geringer wird. Aber es hat nie Gesellschaften ohne Religionen gegeben.

Gefahren der Übersetzung

e: Eine Spiritualität, die auf Erfahrungen wie beispielsweise Meditation, Achtsamkeit und andere Übungen fokussiert, hat mittlerweile einen großen Verbreitungsgrad erreicht. Sind dies Erfahrungswege, die durchaus auch neue religiöse Zusammenhänge stiften können? Oder würden Sie diese individuelle Erfahrungsspiritualität von der Gemeinschaft stiftenden Religion unterscheiden?

GS: Die Antwort hängt von Ihrem Begriff von Gemeinschaft ab. Selbst wenn ich MBSR (Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion) praktiziere, also eine säkulare Form der Achtsamkeit, befinde ich mich bereits in einer riesigen Gemeinschaft: der weltweiten MBSR-Community. Man kann also nicht pauschal sagen, dass jemand, der MBSR praktiziert und seine oder ihre eigenen Erfahrungen macht, zwingend ein Individualist ist. Denn die Erfahrungen beziehen sich auf einen Kontext von Curricula, Schulungen und Angeboten, die durchaus gesellschaftlich strukturiert sind. Was ich aber sehe, und darauf wollen Sie möglicherweise hinaus, ist, dass die Angebote für Erfahrungen, die ursprünglich aus einem spirituellen oder religiösen Kontext stammen, häufig völlig entkernt und säkularisiert werden. Und diese Säkularisierung hat in unserem westlichen Kontext eine starke Individualisierung und damit ein Einspannen in ein neoliberales Wirtschaftssystem zur Folge. Und das ist leider ein System, das die Menschen innerlich aushöhlt und zum Beispiel in Unternehmen keine wirkliche Form von Gemeinschaft zulässt. In dieser Entkernung und der damit verbundenen Loslösung von ethischen Standards sehe ich in der Tat eine Gefahr.

Hier gilt für mich der Ruf des Dalai Lama nach einer säkularen Ethik, die mit Achtsamkeitsregeln verbunden sein sollte. Der ethische Aspekt der Achtsamkeit wurde bisher zu sehr vernachlässigt. Matthieu Ricard hat unlängst gesagt, es sei ein Fehler gewesen, immer nur von Achtsamkeit zu sprechen, statt von mitfühlender Achtsamkeit oder etwas pathetischer formuliert, von barmherziger oder liebevoller Achtsamkeit.

e: Wie sehen Sie den Versuch, diese Erfahrungen aus einem religiösen Kontext zu lösen? Denken Sie, dass in dieser Übersetzung oder Übertragung in einen säkularen Kontext mit einer wissenschaftlichen oder ethischen Begründung auch etwas verloren gehen kann?

GS: Der Philosoph Jürgen Habermas hat sich im Kontext der Debatte um die Säkularisierung und der Rolle, die Religion insbesondere für unsere Gemeinschaft spielt, intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt. Er hat darauf hingewiesen, dass bei jeder Übersetzung etwas verloren gehen kann. Es könnte also sein, dass wir aktiv daran arbeiten müssen, die Zwischentöne, die verloren gehen könnten, wohlwollend hinüberzuretten. Dazu muss man diese Zwischentöne aber erst einmal wahrnehmen. Die Frage ist: Gewinnt man unter Umständen mehr, wenn man sagt, entweder man übt Achtsamkeit in einem religiösen Kontext oder man lässt es sein? Auf diese Position könnte man sich berufen. Aber das halte ich für zu dogmatisch. Ich wäre für einen praktischen Ansatz, der sagt: Okay, fang doch mal an mit dem Training außerhalb des institutionell religiösen Kontextes und vielleicht wirst du hinterher mehr verstehen und auch die Zwischentöne wahrnehmen – und, falls notwendig, retten können.

Die spirituellen Traditionen bezeichnen die Erfahrung dieses vorbegrifflichen Raumes als Erwachen.

Kritische Reflexion

e: Sie haben den Dalai Lama zitiert mit seiner Aussage, dass Ethik wichtiger sei als Religion, um eine Grundlage für unser ethisches Handeln zu finden. Wenn ich die Aussage richtig interpretiere, geht es darum, Grundlagen für ethisches Handeln zu finden, die sowohl religiöse oder spirituelle Menschen anspricht, als auch Menschen, die säkular oder in einem atheistischen Kontext leben. Religionen haben ihre eigenen ethischen Prinzipien entwickelt und sich so um eine Begründung von Ethik bemüht. Wie sehen Sie diese religiöse Begründung von Ethik? Oder ist es für Sie treffender, eine humanistische Begründung von Ethik zu finden?

GS: Philosophisch gesprochen muss man zwischen Moral und Ethik unterscheiden. Moral ist immer die Praxis von bestimmten Werten, die man im alltäglichen Leben anwendet. Unter Ethik im engeren Sinn versteht man die Reflexion auf Moral hin. Diese Reflexion ist, wenn sie wirklich eine kritische Reflexion ist, per se säkular. Wenn sie dogmatisch wäre, dann wäre sie nur eine Begründung einer bestimmten Moral, die aber nicht für alle Menschen gelten würde. Seit der Aufklärung ist Ethik im westlichen Verständnis immer die kritische Reflexion zweier Fragen: Was ist gut? und Wie soll moralisch gehandelt werden? In diesem Sinne gibt es überhaupt keine Alternative zu einer säkularen Ethik, weil Ethik als Prozess der kritischen Reflexion immer schon säkular und nicht religiös ist. Insofern spielt die Frage der Begründung der Ethik ohnehin nur eine Rolle, wenn ich mich auf den kritischen Prozess einlasse.

e: Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang Bestrebungen, eine säkulare Spiritualität zu formulieren, die explizit Übungen wie die Meditation aus jedem religiösen Kontext herauslöst und sie rein säkular und wissenschaftlich begründet als Möglichkeit der Selbstfürsorge, des Selbsttrainings, der Selbstoptimierung oder der Psychohygiene?

GS: Ich glaube gar nicht, dass es in den meisten Fällen möglich ist, spirituelle Übungen aus dem religiösen Kontext zu lösen und in eine säkulare, rein neurowissenschaftlich fundierte Meditationstechnik zu übersetzen. Bei einer Übung wie der Kundalini-Meditation im Yoga bleibt dann nur, dass ich mich auf bestimmte Teile des Körpers konzentriere. Damit wäre aber in den Augen der Yogis ein entscheidendes Ziel verfehlt und die »Übersetzung« gescheitert. Ich plädiere dafür, zwischen Achtsamkeit und Meditation zu unterscheiden, denn traditionell ist Achtsamkeit eine Vorbereitung für die tiefere Meditation, in der es um Erwachen geht. Und wenn ich in tiefere Dimensionen der Meditation eintauche, werde ich immer auch nach einer Sprache suchen, um mir selbst und anderen diese Erfahrung zu erklären und mitzuteilen. Dabei gibt es letztlich nur zwei Möglichkeiten, von denen die eine ist, dass ich mich einer poetischen Sprache bediene. Das haben auch viele religiöse Texte getan, die zum Teil sehr poetisch sind, wie das Hohelied der Liebe im Alten Testament oder auch viele Texte aus dem Zen-Buddhismus, die mit Metaphern arbeiten. Die andere Möglichkeit ist, direkt auf eine religiös informierte Sprache zurückzugreifen.

Spätestens dann habe ich aber ein Problem, denn ich habe mit einem säkularen Verständnis angefangen, versuche meine eigenen Erfahrungen zu verstehen und merke dann, dass ich mit meiner säkularen Terminologie diese Erfahrung gar nicht so verstehen kann, wie sie sich »anfühlt«. Es besteht dann eine Diskrepanz zwischen meiner säkularen Erklärung und dem, was und wie ich die Wirklichkeit erfahre.

Nicht Denken

e: In Ihrem neuen Buch »NichtDenken« reflektieren Sie auch über den Zustand unserer säkularen Gesellschaft und die notwendigen Transformationen, vor denen wir stehen. Darin differenzieren Sie drei Zugänge zur Wirklichkeit: Denken, Nicht-Denken und NichtDenken. Mit Denken beschreiben Sie den wissenschaftlich rationalen Weltzugang, der uns ganz viel eröffnet, aber eben auch an seine Grenzen stößt. Mit Nicht-Denken sprechen Sie nicht-rationale Weltbeziehungen an, wie das Fühlen, aber auch die Versuche, die rationalen Grundlagen unseres Verstehens zu torpedieren, im Sinne von Fake-News und der Relativierung von Wahrheit. Und mit NichtDenken bezeichnen Sie ein kontemplatives oder erfahrungsmäßiges Verstehen einer tieferen bewusstseinsmäßigen Grundlage, aus der wir eigentlich leben und die Welt verstehen können. Hier liegt ein Zugang zu Erkenntnis und dem Umgang mit der Welt, den wir bisher kaum genutzt haben. Können Sie zu dieser Differenzierung noch etwas sagen und warum Sie Ihnen wichtig ist?

GS: Ich möchte es an einem einfachen Beispiel verdeutlichen: Wenn Sie eine kompliziertere Addition ausführen, dann wissen Sie, ob Sie richtig rechnen. Und doch können Sie die Prozesse, die dabei in Ihrem Gehirn ablaufen, nicht direkt sehen – übrigens auch nicht mit neurowissenschaftlichen Methoden. Denken bezieht sich auf das kritisch rationale Erkennen, das richtige Rechnen. Nicht-Denken wäre in diesem Fall das Gegenteil. Statt zu rechnen könnten Sie auf Ihre Intuitionen hören oder auf den Flug der Vögel achten. Was Sie tun, sieht nur so aus wie Rechnen. Von außen sehen wir nicht, wie all diese Prozesse auf einer tieferen Ebene strukturiert und eingebettet sind. Das NichtDenken, das ich meine, ist weder ein Denken noch ein Nicht-Denken, sondern bewegt sich genau auf dieser tieferen Ebene. Es geschieht in dem Bereich des Bewusstseins, in dem Gedanken, Gefühle, Vorstellungen und Wahrnehmungen überhaupt erst entstehen. In diesen Bereich gelangen wir beispielsweise durch Übungen der Meditation und wir stellen fest, dass dieser Raum nicht mehr begrifflich strukturiert ist. Begrifflich strukturiert bedeutet, dass etwas auf Unterscheidungen beruht: Schwarz/Weiß, Leid/Freude, letztlich auf binären Gegensatzpaaren. Die spirituellen Traditionen bezeichnen die Erfahrung dieses vorbegrifflichen Raumes als Erwachen. Wir erleben eine Einheit mit der Welt, eine Nicht-Zweiheit von Körper und Geist, ein Überall-im-Hier-und-Jetzt-Sein.

e: Würden Sie diesen tiefen Erfahrungen eine religiöse Qualität zusprechen? Diese Erfahrung des Erwachens beinhaltet ja auch eine starke emotionale Komponente, die man mit Ehrfurcht und dem Verbundensein mit etwas Größerem umschreiben kann. Und sind Sie der Ansicht, dass solche Erfahrungen eigentlich die Quelle sind, aus der alle Religionen kommen?

GS: Ich finde Ihre Fragen interessant, muss Sie aber darauf aufmerksam machen, dass Sie sich damit bereits im Bereich des rationalen Eingliederns und Durchdringens einer solchen nicht-sprachlichen Erfahrung befinden. Die Erfahrung selbst ist begriffslos. Es ist eine Erfahrung, die sich gerade nicht in erster Linie durch Begriffe konstituiert, aber auch nicht einfach durch Gefühle. Die Frage, ob diese Erfahrung religiös ist oder nicht, stellt sich in dem Moment, in dem Sie die Erfahrung machen, überhaupt nicht. Die Erfahrung ist weder religiös noch nicht-religiös. Es ist schlicht die Erfahrung von Hier-und-Jetzt-im-Moment-Sein, in der sich alle Unterscheidungen auflösen. Erst wenn Sie versuchen, aus dieser Erfahrung in Ihren Alltag hineinzukommen, haben diese Fragen wieder Relevanz: Was war das denn jetzt gerade? Habe ich eine religiöse Erfahrung gemacht? Sie sind zurück in der binären Welt und arbeiten mit Unterscheidungen.

Natürlich ist diese Erfahrung aus der herkömmlichen Sicht der Welt des Alltags verrückt. Verrückt deshalb, weil sie nicht mit den gewohnten Kategorien erfasst werden kann, mit denen wir normalerweise alles, was wir erleben, machen, fühlen oder denken, erfassen. Auf einmal sind diese ganzen Kategorien, die ich mein Leben lang gelernt habe, nicht mehr anwendbar. Aber der springende Punkt ist nicht die Erfahrung des Erwachens, sondern diese Erfahrung anschließend in den Alltag zu integrieren. Darauf legt speziell die Zen-Tradition, aus der ich komme, großen Wert. Das Kensho-Erlebnis, das Erlebnis des Erwachens, ist zwar die Grundlage für eine Transformation, aber dann muss jeder von uns auf seine Art und Weise diese Erfahrung langsam in den Alltag einbringen und den Alltag davon durchdringen lassen. Es bleibt ein ständiger Prozess des Vertiefens, des Vorwärtsgehens, manchmal auch des Zurückgehens. Es ist ein Prozess, der so dynamisch ist, wie das Leben selbst. Aber wenn man weiter übt, wächst diese Erfahrung und kann sich stabilisieren.

Dieses NichtDenken macht uns offener und klärt unsere Haltung zur Wirklichkeit und zu uns selbst

Die Einheit der Dinge

e: Wenn ich Sie richtig verstehe, schafft die Erfahrung des NichtDenkens die Offenheit und Vertiefung, um das Denken und Nicht-Denken zu hinterfragen und damit auch die eigenen Grundlagen und Schlussfolgerungen?

GS: Richtig, der Zen-Meister Dogen beschreibt es als das »Ausfallen von Körper und Geist«. Dieses NichtDenken macht uns offener und klärt unsere Haltung zur Wirklichkeit und zu uns selbst – aber zum Beispiel auch unsere politische Haltung. Eine fremdenfeindliche Ausgrenzung, die auf Dualität beruht, ist dann nicht mehr akzeptabel. Ich werde mich fast schon automatisch für die Integration von Flüchtlingen einsetzen, weil der oder die Geflohene auf einer tieferen Ebene sozusagen diesseits der Unterschiede nicht völlig unterschiedlich von mir ist. Wenn Körper und Geist wirklich ausgefallen sind, erfahre ich die tatsächliche, vor unseren Unterscheidungen existierende Einheit der Welt, die über die Begrifflichkeit hinausgeht, denn die Begrifflichkeit setzt die Unterschiede in der Welt fest und markiert sie. Die Erfahrung des NichtDenkens löst solche Markierungen auf wie: Da ist Körper, da ist Geist; da ist der Andere, hier bin ich; da ist ein Tier, hier ist ein Mensch. Stattdessen erfahren wir die Zusammenhänge und die Einheit der Dinge. Ich kann sie anschließend nicht mehr so trennen, wie ich es vorher konnte.

e: Und diese Erfahrungsräume eröffnen uns in dieser Transformation einen größeren Raum von Möglichkeiten, wie man mit solchen Dilemmas wie der ökologischen Krise oder der Flüchtlingssituation umgeht.

GS: Ja, es geht letztlich um eine Transformation, denn wir befinden uns persönlich, politisch und kulturell in einem riesigen Prozess der Transformation. Dabei darf man diese Erfahrungen nicht ausschließen, denn sie gehören ganz entscheidend zur Transformation. Wenn ich meinen Geist nicht kläre und nicht verstanden habe, werde ich immer einen verwirrten und unruhigen Geist haben und das wird sich auf alles andere auswirken.

Man kann die Erfahrung des NichtDenkens nicht vom Umgang mit anderen Menschen und dem eigenen Handeln trennen. Diese Erfahrung zeigt uns ja gerade, dass diese Dinge nicht mehr voneinander trennbar sind. Und das macht die »neue« Haltung aus, dass sie diese Zusammenhänge berücksichtigt und freundlich mit Differenzen umgeht, im Sinne einer mitfühlenden Achtsamkeit. Allerdings sollte man sich hüten zu glauben, mit einer solchen Erfahrung in der Tasche würde alles gut. Damit es gut wird, müssen wir immer auch politisch und moralisch handeln. Und das bedeutet, wir müssen andere überzeugen. Einen Automatismus des Guten gibt es also nicht.

Author:
Mike Kauschke
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