Mehr Wirklichkeit

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Interview
Published On:

October 29, 2014

Featuring:
Bob Anderson
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Ausgabe 04 / 2014:
|
October 2014
Führung neu denken
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Wissende Felder in der Praxis


Bob Anderson steht als Leadership Trainer mitten in der Wirtschaftswelt, zu seinen Kunden zählen einige der größten Unternehmen der USA. In seiner Arbeit experimentiert er mit einer tieferen Form der Wahrnehmung intersubjektiver Felder, die Qualität von Individuen und Teams beeinflussen. evolve-Herausgeber Tom Steininger sprach mit Bob Anderson über den Einfluss „wissender Felder“ auf seine Arbeit.


Tom Steininger
: Als wir uns im Sommer in der Schweiz trafen, hat mich fasziniert, dass du mit einigen wichtigen Innovatoren in der Wirtschaft gearbeitet hast wie Peter Block und Peter Senge, und dich nun mit Bewusstsein und Leadership befasst, insbesondere mit dem Bewusstseinsfeld, das zwischen uns existiert.

Bob Anderson: Ja, ich bin der Ansicht, dass diese Bewusstseinsfelder wirklich wichtig und auch in praktischer Hinsicht bedeutsam sind. Wir sprechen hier über Felddynamiken, bei denen wir mit einer subtilen Ebene der Form oder Wirklichkeit arbeiten, die wir nicht sehen können. Und dabei geht es nicht nur um „mein“ Feld oder das Feld, dass wir zusammen erschaffen. Wenn wir uns diesem Feld verbinden, dann sind wir mit dem ganzen Feld verbunden. Es ist sehr kraftvoll und wir können es erfahren, wenn eine Gruppe zusammenkommt. Das Feld öffnet sich und wir können uns auf diese Ebene des Feldes einstimmen, uns damit verbinden. Wenn zwischen uns und dem Feld eine Resonanz entsteht, dann haben wir einen besseren Zugang zu dem Wissen, das in diesem Feld enthalten ist.

TS: Kannst du dieses Verständnis des Feldes, das du hier beschreibst, in deiner Arbeit mit Führenden und mit Organisationen anwenden? Sprichst du dort offen darüber?

BA: Ich arbeite damit „inkognito“ so weit wie ich kann. Wenn ich z. B. einen Workshop leite, dann versuche ich sehr bewusst das Feld zu gestalten und eine Resonanz damit aufrechtzuerhalten. Ich verhalte mich sehr bewusst, wenn ich versuche mein Gewahrsein zu erweitern, in umfassendere Energieebenen, die man als integral oder post-postkonventionell bezeichnen könnte.
Ich habe einmal die Mitarbeiter in einem Atomkraftwerk beraten und habe an ihrem Morgenmeeting teilgenommen. Diese Meetings sind unglaublich, es gibt dort Strukturen und Prozesse, in denen jedes einzelne Detail genau geprüft und verfolgt wird. Sie haben die Lage immer unter Kontrolle. Wenn etwas Unvorhergesehenes geschieht, wenn ein Trainingsprogramm zwei Minuten zu spät beginnt, wird es im Morgenmeeting zum Thema gemacht. Und es wird ein Bericht darüber verfasst, wie diese Verspätung zustande kam. Ich saß also in diesem Meeting und verstand nur die Hälfte von dem, worüber sie sprachen, denn mir waren natürlich die Fachbegriffe und Abkürzungen fremd. Plötzlich war der Raum voller Licht und ich konnte die Energiefelder der Beteiligten sehen. Und dann hatte ich eine Eingebung, die sagte: „Die Leute haben keine Ahnung, was sie bald erwartet!“

Wenn ich einen Workshop leite, dann versuche ich sehr bewusst das Feld zu gestalten.


Ich wusste nicht, was ich damit anfangen sollte. Einen Monat später wurde das Atomkraftwerk vom Netz genommen, um eine Routineprüfung durchzuführen. Kurz nach Beginn der Prüfung wurden die Brennstäbe aus dem Reaktor gezogen und es wurde ein Leck in der Schutzdämmung festgestellt, das bis dahin niemandem aufgefallen war. Die zuständige Atombehörde schloss das Kraftwerk und es blieb drei Jahre lang außer Betrieb. Die Mitarbeiter verloren ihre Jobs und konnten in diesem Industriezweig auch keine neue Arbeit finden. Einige mussten ins Gefängnis. Ich dachte bei mir, wow, nun weiß ich, was sie erwartet hatte.
Rudolf Steiner sagte einmal, dass wir im Schoß einer immensen Intelligenz geborgen sind. Wir können dieses Wissen zugänglich machen und aufnehmen. Aber im Bereich der Wirtschaft haben wir die Fähigkeiten der rechten Hirnhälfte und unsere intuitiven Fähigkeiten noch nicht richtig entwickelt und uns den Ebenen und Dimensionen geöffnet, die auch zu unserer menschlichen Anatomie gehören. In diesen tieferen Ebenen liegt eine Intelligenz und Weisheit, die wir meist nicht nutzen.

TS: Wenn wir uns dieser subtilen Dimensionen gewahr werden geht es ja nicht so sehr um übersinnliche Erfahrungen, sondern um den Zugang zu einer anderen Form von Wissen. Deshalb interessiert mich die Frage, wie wir eine Identität und ein Verstehen der Wirklichkeit entwickeln, das es uns erlaubt, Zugang zu diesen angesprochenen Dimensionen zu bekommen, ohne in eine mythische oder irrationale Sicht der Wirklichkeit zu verfallen. Dann könnten wir in der Lage sein, uns in einer normalen Arbeitssituation, aber auch bei politischen und globalen Fragen nicht nur auf die rationalen Ebenen dieser Aspekte zu verlassen. Vielmehr könnten wir uns mit einer Ebene der Wirklichkeit verbinden, die es uns ermöglicht, eine andere Schicht freizulegen, um mit der Situation umzugehen. Einerseits kann das leicht in eine Art Hokuspokus abgleiten. Wir könnten leicht die Grenze zum Wunschdenken überschreiten und einfach einer Fantasie folgen. Wie können wir dies so tun, dass wir Zugang zu diesen Dimensionen bekommen und dabei „auf dem Boden bleiben“?

BA: Ich denke, das ist genau die Herausforderung. Wie verstehen wir diese Fähigkeiten so, dass es praktisch nutzbar wird, sodass die Menschen individuell und in Gruppen ihre Erkenntnis erweitern, und eine umfassendere Weisheit in das Gespräch kommt? Ich denke, dass dafür auch eine Entwicklungsebene nötig ist, in der wir eine ausreichende Komplexität erlangt haben. Damit meine ich die Stufen der Ich-Entwicklung. Wenn ich in meinen Denkgewohnheiten und meinen konventionellen Denkmustern gefangen bin – also genau weiß, was richtig und falsch, wahr und unwahr ist – dann habe ich nicht die Freiheit, um diese Dimension auch nur zu erahnen.

TS: Wir müssen also das, was in unserem Geist vor sich geht, den Denkprozess und was sonst noch anwesend sein mag, sehr klar wahrnehmen und eine Freiheit haben, die uns überhaupt erst erlaubt, diese subtile Feld-Dimension wahrzunehmen. Ich nehme an, das meinst du, wenn du sagst, dass wir in der Lage sein können, es zu halten und wahrzunehmen, denn wir brauchen dazu eine innere Reife in der Beziehung zu unseren Gedanken und Gefühlen.

BA: Genau, das ist eine Praxis. Wir können uns solche Dinge auch einbilden, es kann einfach eine schöne Fantasie sein. Was ist der Unterschied zwischen einer Fantasie und etwas, das tatsächlich im Feld geschieht? Offen gesagt, diese Frage habe ich mir auch oft gestellt. Der Verstand, die linke Hirnhälfte, spielt verrückt: „Das ist Quatsch! Es passiert nichts, das bildest du dir alles nur ein!“ Aber wir können lernen, ein echtes kinästhetisches Gewahrsein zu entwickeln, in dem uns ein Wissen darüber zugänglich wird, was im intersubjektiven Feld geschieht.
Es gibt verschiedene Schichten in der Struktur der Wirklichkeit und unseres Daseins: nonduale, kausale, mystische, subtile Felder, die ineinander verschachtelt sind. Jetzt, in diesem Moment, leben wir auf all diesen Ebenen. Wenn wir vom Feld sprechen, dann frage ich mich, ob wir unsere Wahrnehmung verschiedener Ebenen der Wirklichkeit noch erweitern können. Sodass wir so bewusst werden, dass wir uns individuell und kollektiv mit diesen verschiedenen Ebenen bewusster verbinden können, um eine Quelle von Innovation, Einsicht und Weisheit zu erschließen.

Author:
Dr. Thomas Steininger
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