Eine neue Verbindung zum Göttlichen
Kotaro Aoki studierte Philosophie, lebte in Europa, den USA und Indien. Heute organisiert er Pilgerreisen an heilige Orte in Japan. Vor Kurzem war ich zusammen mit meinem Sohn auf einer Pilgerreise mit ihm in der Kumano-Bergregion in Japan. Was bewegt ihn, die alte Praxis des Pilgerns auf diese Weise zu beleben?
evolve: Welcher innere Ruf veranlasst dich dazu, Menschen aus aller Welt die heiligen Orte und Praktiken Japans näherzubringen?
Kotaro Aoki: Ich hatte mir nicht vorgenommen, mit dieser Arbeit zu beginnen. Es gab eine Anziehungskraft, und ich habe gelernt, mich darauf einzulassen und einfach da zu sein für das, was sich zeigen will. Teil meiner spirituellen Praxis ist es, der Emergenz des Heiligen oder Göttlichen zu dienen. Meine Praxis ist, all meine Kraft diesem Ruf zu geben, der uns zusammenführt.
In der Gegenwart scheint es einen Ruf zu geben, auf den wir alle reagieren. In einem kollektiven Prozess des Forschens versuchen wir zu erkennen, worum es bei diesem Ruf geht. Dazu müssen die richtigen Leute zur richtigen Zeit am richtigen Ort zusammenkommen. Ich fühlte mich den heiligen Orten Japans und den Menschen, die sie bewahren, verbunden. So folgte ich dem Impuls, Erfahrungsräume für Menschen zu öffnen, die sich Pilgerreisen zu den heiligen Orten in Japan anschließen wollen. Es ist jedes Mal anders – die Jahreszeiten, Orte, Menschen, Beweggründe. Es ist wie ein Mandala oder ein Kaleidoskop der Seele Japans, des Landes, des Geistes hier.
Eine neue Verbindung zum Göttlichen
Kotaro Aoki studierte Philosophie, lebte in Europa, den USA und Indien. Heute organisiert er Pilgerreisen an heilige Orte in Japan. Vor Kurzem war ich zusammen mit meinem Sohn auf einer Pilgerreise mit ihm in der Kumano-Bergregion in Japan. Was bewegt ihn, die alte Praxis des Pilgerns auf diese Weise zu beleben?
evolve: Welcher innere Ruf veranlasst dich dazu, Menschen aus aller Welt die heiligen Orte und Praktiken Japans näherzubringen?
Kotaro Aoki: Ich hatte mir nicht vorgenommen, mit dieser Arbeit zu beginnen. Es gab eine Anziehungskraft, und ich habe gelernt, mich darauf einzulassen und einfach da zu sein für das, was sich zeigen will. Teil meiner spirituellen Praxis ist es, der Emergenz des Heiligen oder Göttlichen zu dienen. Meine Praxis ist, all meine Kraft diesem Ruf zu geben, der uns zusammenführt.
In der Gegenwart scheint es einen Ruf zu geben, auf den wir alle reagieren. In einem kollektiven Prozess des Forschens versuchen wir zu erkennen, worum es bei diesem Ruf geht. Dazu müssen die richtigen Leute zur richtigen Zeit am richtigen Ort zusammenkommen. Ich fühlte mich den heiligen Orten Japans und den Menschen, die sie bewahren, verbunden. So folgte ich dem Impuls, Erfahrungsräume für Menschen zu öffnen, die sich Pilgerreisen zu den heiligen Orten in Japan anschließen wollen. Es ist jedes Mal anders – die Jahreszeiten, Orte, Menschen, Beweggründe. Es ist wie ein Mandala oder ein Kaleidoskop der Seele Japans, des Landes, des Geistes hier.
e: Was ist der Unterschied zwischen dem, was du in der westlichen Philosophie gelernt hast, und dem, was du in den spirituellen Traditionen Japans praktizierst?
KA: Durch die Philosophie habe ich gelernt zu verstehen, wie die Welt durch die westlich orientierte Zivilisation geprägt wurde. Durch meine Zeiten in den USA und Europa konnte ich die grundlegenden Strömungen dieser Welt erkennen, zu der auch Japan gehört: Individualismus, Kapitalismus, tiefe Spaltungen, die mit den Grundwerten der westlichen Zivilisation verbunden sind. Die Philosophie eröffnete mir die Vogelperspektive auf die Dynamiken unserer Zeit. Sie zeigte mir die Grundpfeiler der gegenwärtigen Welt, aber sie hat mir keine Alternativen aufgezeigt. Je länger ich studierte, desto klarer erkannte ich eine unzerstörbar scheinende Kette des Leidens. Alles ist auf einem Paradigma aufgebaut, an dem die Ergebnisse gemessen werden, und solange wir in diesem Paradigma gefangen sind, wird nichts grundlegend Neues geboren.
e: Du meinst das Paradigma der Trennung und des Individualismus.
KA: Ja, das Paradigma der Trennung, des Individualismus, des Materialismus – es hat viele Namen. Wir haben uns im Grunde von der Quelle allen Lebens entfernt. Viele Orte verlieren den Kontakt zu dieser Quelle und zu den Prinzipien des Lebens. Als ich nach vier Jahren in Indien nach Japan zurückkehrte, entdeckte ich Orte, die noch intakt sind oder in ihrem eigenen Mikrokosmos leben, durch den sie sich wieder mit dieser zeitlosen, universellen Quelle verbinden.
»Ich sehe eine miteinander verbundene Welle von Pilgerreisen in der ganzen Welt.«
Man kann sich durch individuelle Praxis mit dieser inneren Quelle verbinden – Meditation, Atemarbeit, Tai-Chi. Das sind kraftvolle Wege, aber ihre Kraft für Transformation ist begrenzt. Die Praxis allein oder in der Gruppe ist nicht umfassend genug. Ich hatte das Gefühl, dass etwas fehlte. Auf der Pilgerreise offenbarte sich die Kraft des Feldes selbst – die Gruppe wurde in eine größere Dimension geführt. Wenn die Menschen vorbereitet, eingeweiht und angeleitet sind, kann jeder dieses Portal betreten. Es ist jenseits von Sprache und Konzepten. Japan hat sich solche Räume bewahrt. Sie sind lebendig, für alle offen. Es bedarf keiner Lehre, keiner zentralen Autorität – es ist einfach ein offener Raum für Ehrfurcht und Staunen. Durch die Begegnungen mit heiligen Orten und Ritualen verband ich mich mit demselben Raum wie in meiner individuellen Praxis, aber er zeigte sich auch im Äußeren – innen und außen verschmelzen. Das Feld, das auf diese Weise entsteht, hat große Kraft, und es entstehen Möglichkeiten, die ich in westlichen Systemen des Wandels nicht gefunden habe.
e: Wie können sich Menschen mit dieser Arbeit verbinden?
KA: Bisher waren solche Pilgerschaften nur auf Einladung möglich. Die Pilgerreise passt nicht für jeden. Sie ist persönlich und transpersonal. Ich möchte einen Weg finden, den Raum zu öffnen und gleichzeitig die richtigen Frequenzen zu erhalten. Wir sind dabei, eine Initiative zu starten, um zukünftige Begleiter und Führende für solche Reisen zusammenzubringen. 40 bis 50 junge Menschen, die das Bedürfnis verspüren, sich mit der Quelle zu verbinden, nicht nur für sich selbst, sondern für etwas Größeres, und die jeweils eine oder zwei Pilgerreisen leiten werden.
e: In Japan oder auch an anderen Orten?
KA: Zunächst Pilgerreisen in Japan, aber sobald die Begleiter ganz auf ihre Berufung eingestimmt sind, können sie auch nach Nepal oder Indien gehen oder mit Menschen aus anderen Teilen der Welt zusammenarbeiten, in denen die Verbindung zum Heiligen erhalten ist. Wir laden nicht nur junge Menschen aus Japan, sondern aus der ganzen Welt ein, diese Reise zu begleiten. Die Traditionslinie der Pilgerschaft ist universell. Ich sehe eine miteinander verbundene Welle von Pilgerreisen in der ganzen Welt, jede auf ihre Art mit der Quelle verbunden, aber es ist ein Feld. In Ländern wie Japan, Irland, Indien und Nepal haben Pilgerreisen eine lange Tradition.
e: Kannst du uns eine Geschichte erzählen, durch die das Potenzial solcher Pilgerschaften deutlich wird?
KA: Im letzten Dezember haben wir eine Pilgerreise für etwa 150 Menschen veranstaltet, aus Japan und aus dem Ausland, mit unterschiedlichen beruflichen, kulturellen und spirituellen Hintergründen. Wir saßen gemeinsam in Stille, besuchten Schreine und Tempel, verbeugten uns, spürten in den Raum hinein, tauschten uns im Kreis aus und gingen in Stille – an einem Tag, neun Stunden lang. Es gab keinen Lehrer, keine bestimmte Praxis. Im Mittelpunkt stand die stille Pilgerschaft. Am Anfang waren die Leute verwirrt. Kamen sie den ganzen Weg nur wegen der Stille?
Einige erwarteten, dass sie etwas über Buddhismus oder Meditation lernen würden. Aber ganz allmählich, ohne Anleitung, entdeckten die Menschen ihre ganz eigene Verbindung zur Quelle. Jemand sagte, dass er zum ersten Mal mit seiner wahren Stimme sprach, weil er sich nicht mehr allein fühlte. Unter der Oberfläche gibt es etwas, das uns alle trägt, unabhängig davon, was darüber geschieht.
Im Alltag dreht sich alles um horizontale Veränderung – das Vorwärtskommen in der Zeit, von Ziel zu Ziel. Aber während dieser Pilgerreise erlebten viele eine vertikale Veränderung: Sie sahen sich selbst von oben und erkannten, dass das Leben sich zwar linear und horizontal bewegt, es aber auch einen unverrückbaren, zeitlosen Raum gibt, zu dem sie immer zurückkehren können. Diese Erkenntnis wurde von 150 Personen geteilt – sie alle wurden zu Zeugen dieses Wandels. Jetzt, nach sechs Monaten, kommen diese Pilger weiterhin zu den monatlichen Kreistreffen in Tokio. Die Transformation ist immer noch spürbar, sie ist nicht umkehrbar. Es ist deutlich erfahrbar, wie sich diese Veränderung im Leben auswirkt.
e: Ich erinnere mich an einen Abend, an dem mein 12-jähriger Sohn von der Atmosphäre, die wir gemeinsam geschaffen hatten, tief berührt war. Später sagte er, er habe eine göttliche Präsenz gespürt.
KA: Auf der Pilgerreise, von der ich sprach, erwähnten die Teilnehmenden auch, dass sie die Gegenwart des Göttlichen spürten. Das inspiriert mich bei dieser Arbeit – wir können zusammenkommen und die Gegenwart des Göttlichen spüren, es in unseren gemeinsamen Raum einladen. Das war ein Wendepunkt auf meinem spirituellen Weg – zuvor waren meine Begegnungen mit dem Göttlichen privat, im Inneren. Durch Gnade wurde ich in die Arbeit des Pilgerns eingeführt, und das Göttliche erscheint nun inmitten von Menschen, Wäldern, Bergen und Flüssen. Das gibt mir Hoffnung. Das Gefühl, von der Quelle genährt zu werden, sollten wir nicht nur für uns behalten – wir können es hier und jetzt manifestieren, zwischen uns und allen Wesen.
Der wichtigste Grund, warum mich das Pilgern immer wieder ruft, ist die Möglichkeit für mich und andere, sich an das Heilige zu erinnern. Mehr von dieser Rückbindung, der Wiederverbindung mit dem Göttlichen, wird in unserer Welt dringend gebraucht. Gewagt könnte man ausdrücken, dass die Abwesenheit des Göttlichen die Ursache aller Probleme ist. Durch die Verbindung zur Quelle, zum Göttlichen, werden wir wieder Teil der sich entfaltenden Geschichte des Lebens, um uns an unsere Aufgabe auf dieser Erde zu erinnern.