Regeneration in einer Flüchtlingssiedlung

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Projekt-Interview
Publiziert am:

October 19, 2025

Mit:
Paulinho Muzaliwa
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AUSGABE:
48
|
October 2025
Die Flamme weitergeben
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Ein soziales Permakulturprojekt in Uganda

Paulinho Muzaliwa ist Umweltaktivist und Permakultur-Lehrer aus dem Kongo, der vor Verfolgung nach Uganda geflohen ist. Dort hat er in der Flüchtlingssiedlung Nakivale das Unidos Social Innovation Centre gegründet, eine von Flüchtlingen geführte Organisation, die junge Geflüchtete dabei unterstützt, sich ihre eigenen Chancen zu schaffen, und sich gleichzeitig für regenerative Landwirtschaft einsetzt.

evolve: Was hat dich dazu bewogen, in einer Flüchtlingssiedlung ein soziales Permakultur-Projekt zu beginnen?

Paulinho Muzaliwa: Die Flüchtlingssiedlung Nakivale beherbergt mehr als acht Gemeinschaften aus verschiedenen Ländern, darunter der Kongo, Äthiopien, Eritrea, der Südsudan, ­Burundi und Ruanda. Insgesamt sind das mehr als 20.000 Menschen, die tief miteinander verbunden sind. Denn wenn man aus seinem Land fliehen muss, zerbrechen alle Träume, und das Leben, das man sich aufgebaut hat, existiert plötzlich nicht mehr. Also beginnen sie hier im Flüchtlingslager, das die meisten Menschen als hoffnungslosen Ort betrachten, bei Null. Sie müssen völlig neu darüber nachdenken, wie sie sich ein neues Leben aufbauen können und wo sie eine Chance auf eine bessere Zukunft haben. Dazu kommen die lokalen Gegebenheiten hier in dieser Region. Die Beschäftigungsquote ist sehr niedrig. Die meisten Flüchtlinge finden hier in Uganda auf dem Arbeitsmarkt keine Möglichkeiten, nicht, weil sie keine Fähigkeiten haben, sondern weil sie keine Chance erhalten, zu beweisen, dass sie einen Beitrag zur lokalen Wirtschaft leisten oder zur Klimaresilienz beitragen können.

Das hat mich motiviert, einen Raum zu schaffen, in dem Flüchtlinge ihre eigenen Möglichkeiten schaffen können, um auf diese lokalen Gegebenheiten zu reagieren. Wir arbeiten mit den wenigen Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen, daran, Beschäftigungsmöglichkeiten für die Flüchtlinge selbst zu schaffen und gleichzeitig auf die Herausforderungen zu reagieren, denen wir hier in unserer Gemeinschaft gegenüberstehen.

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Ein soziales Permakulturprojekt in Uganda

Paulinho Muzaliwa ist Umweltaktivist und Permakultur-Lehrer aus dem Kongo, der vor Verfolgung nach Uganda geflohen ist. Dort hat er in der Flüchtlingssiedlung Nakivale das Unidos Social Innovation Centre gegründet, eine von Flüchtlingen geführte Organisation, die junge Geflüchtete dabei unterstützt, sich ihre eigenen Chancen zu schaffen, und sich gleichzeitig für regenerative Landwirtschaft einsetzt.

evolve: Was hat dich dazu bewogen, in einer Flüchtlingssiedlung ein soziales Permakultur-Projekt zu beginnen?

Paulinho Muzaliwa: Die Flüchtlingssiedlung Nakivale beherbergt mehr als acht Gemeinschaften aus verschiedenen Ländern, darunter der Kongo, Äthiopien, Eritrea, der Südsudan, ­Burundi und Ruanda. Insgesamt sind das mehr als 20.000 Menschen, die tief miteinander verbunden sind. Denn wenn man aus seinem Land fliehen muss, zerbrechen alle Träume, und das Leben, das man sich aufgebaut hat, existiert plötzlich nicht mehr. Also beginnen sie hier im Flüchtlingslager, das die meisten Menschen als hoffnungslosen Ort betrachten, bei Null. Sie müssen völlig neu darüber nachdenken, wie sie sich ein neues Leben aufbauen können und wo sie eine Chance auf eine bessere Zukunft haben. Dazu kommen die lokalen Gegebenheiten hier in dieser Region. Die Beschäftigungsquote ist sehr niedrig. Die meisten Flüchtlinge finden hier in Uganda auf dem Arbeitsmarkt keine Möglichkeiten, nicht, weil sie keine Fähigkeiten haben, sondern weil sie keine Chance erhalten, zu beweisen, dass sie einen Beitrag zur lokalen Wirtschaft leisten oder zur Klimaresilienz beitragen können.

Das hat mich motiviert, einen Raum zu schaffen, in dem Flüchtlinge ihre eigenen Möglichkeiten schaffen können, um auf diese lokalen Gegebenheiten zu reagieren. Wir arbeiten mit den wenigen Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen, daran, Beschäftigungsmöglichkeiten für die Flüchtlinge selbst zu schaffen und gleichzeitig auf die Herausforderungen zu reagieren, denen wir hier in unserer Gemeinschaft gegenüberstehen.

e: Was hat sich durch die Zusammenarbeit mit anderen Geflüchteten entwickelt?

PM: Angefangen haben wir mit acht Personen. Mittlerweile erreichen wir mehr als 5.000 Menschen in verschiedenen Bereichen wie Bildung, Unternehmertum, regenerative Landwirtschaft, Gesundheit oder Frauenförderung. Die Erfahrungsberichte der Menschen, die unsere verschiedenen Kurse besucht haben, motivieren und inspirieren mich. Sie sagen zum Beispiel: »Früher konnte ich mir nicht einmal eine Mahlzeit pro Tag leisten, aber durch die regenerative Landwirtschaft kann ich nun Lebensmittel anbauen und damit Geld verdienen, um die Schulgebühren meiner Kinder zu bezahlen.« Oder hier lebt eine Frau mit einem unterernährten Kind. Seit sie unseren Kurs zum Pilzanbau besucht, kann sie ihr Baby mit Pilzsuppe ernähren, und inzwischen geht es dem Baby sehr gut.

Durch unseren partizipativen Führungsstil geben wir jedem die Möglichkeit, eine Führungsrolle zu übernehmen und zu zeigen, wie Einzigartigkeit zu einer lokalen Wirtschaft beiträgt, die für uns alle funktioniert.

e: Wie beeinflusst die Permakultur die Arbeit des Unidos-Projekts?

PM: Das Unidos-Projekt funktioniert wie ein zentraler Knotenpunkt und Zusammenschluss verschiedener Projekte. Als wir Permakultur unterrichteten, wurde uns klar, dass wir uns nicht darauf beschränken sollten, nur Permakultur zu vermitteln, sondern dass wir eine Ideensammlung starten und andere Projekte konzipieren könnten, die mit den 12 Prinzipien der Permakultur zusammenhängen.

»Wenn wir die Zukunft gestalten wollen, darf niemand zurück­-gelassen werden.«

Ein Prinzip lautet, keinen Abfall zu produzieren. Wir kamen auf die Idee, dass wir eine gemeinschaftliche Kompostierungsanlage errichten könnten, die der Bodendegradation in unserem Tal entgegenwirkt. Anstatt Chemikalien für den Anbau unserer Lebensmittel zu verwenden, die unseren Boden weiter schädigen, recyceln wir Lebensmittelabfälle aus Märkten, Restaurants und Haushalten, um sie von Würmern zersetzen zu lassen. Nach einiger Zeit können wir den Wurmkompost in unserem Garten als Dünger verwenden, um den Boden zu regenerieren und Mikroorganismen zu fördern.

e: Was haben die Förderung der unternehmerischen Initiativen und die Stärkung von Frauen mit den Prinzipien der Permakultur zu tun?

PM: Wenn wir die Zukunft gestalten wollen, sollten alle Menschen gleiche Chancen erhalten, und niemand darf zurückgelassen werden. Fast 70 Prozent der Menschen, die hier leben, sind Frauen und Kinder. Sie werden oft übersehen und sind häuslicher Gewalt ausgesetzt. Das hat uns motiviert, Frauen zu unterstützen und ihnen Raum zu geben, um im Rahmen dieser Permakultur-Prinzipien Ideen zu entwickeln. Sie konnten sich ein Prinzip aussuchen und ein Projekt entwickeln, das den Boden heilt oder eine Verbindung zur Natur herstellt, aber auch ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit fördert. Daraus entsteht Unternehmertum. Wir wollen sicherstellen, dass wir eine Kreislaufwirtschaft etablieren, die mit der Natur verbunden ist und sich wirtschaftlich so auswirkt, dass diese Frauen selbstständig werden können.

Die Bildung von Frauen ist ein wichtiger Ausgangspunkt für eine gesunde Gemeinschaft. Das ist mir wichtig, denn sobald eine Frau gebildet ist und sich einer Sache verschrieben hat, ist sie nicht mehr aufzuhalten, bis sie ihr Ziel erreicht hat. Das ist wichtig für die Frauen in dieser Gemeinschaft, denn sie tun immer alles für die gesamte Gemeinschaft – um sie zu einem besseren Ort für ihre Kinder zu machen. Das ist die Zukunft, die wir aufbauen wollen. Das ist das Nakivale, das wir wachsen sehen wollen.

e: An welchem Führungsmodell orientierst du dich, um deine Arbeit zu organisieren?

PM: Wir praktizieren einen dezentralen, horizontalen Führungsstil, der es jedem ermöglicht, zu führen, ohne geführt zu werden. Der Bildungshintergrund, der uns geprägt hat, ist ein System, das uns zu Sklaven dieses Systems gemacht hat. Wir fragen uns: Wie können wir Möglichkeiten jenseits des Bildungssystems erforschen, das wir durchlaufen haben?

Ich habe festgestellt, dass unternehmerisches Denken in Ko-Kreation mit anderen einer der stimmigen Ansätze ist. Wir sollten jeder Frau die Chance eröffnen, ihre Einzigartigkeit zu leben. Wir wollen den Teamgeist statt Konkurrenzdenken verkörpern. Dadurch kommen wir ohne Strukturen wie beispielsweise einen CEO, einen Buchhalter oder einen Schatzmeister aus. Dabei ist jede für eine Aufgabe verantwortlich und nicht für eine Position, die sie oder er innehat. Dazu experimentieren wir auch mit Mitteln des Web3 wie Dezentralen Autonomen Organisationen (DAO) und regenerativen Zahlungsmitteln wie SEEDS.

In einem wöchentlichen Leitungsmeeting organisieren wir uns als Team. In weiteren Treffen legen wir Ziele fest und vermitteln den Menschen, wie sie etwas von Grund auf neu schaffen können. Denn die meisten unserer Mitarbeitenden haben keine Schule besucht. Das disqualifiziert sie jedoch nicht dafür, etwas zu leisten. Denn wenn man sich in ein Thema vertieft, das einen wirklich interessiert, und praktisch daran arbeitet, kann man innerhalb weniger Jahre wirklich gut in dem werden, was man macht.

e: Mit welchen Herausforderungen seid ihr in eurer Arbeit konfrontiert?

PM: Die humanitäre Hilfe nimmt von Tag zu Tag ab, und das Besorgniserregende daran ist, dass langsam das Interesse daran verloren geht, für das langfristige Überleben der Geflüchteten zu spenden. Es ist also der beste Zeitpunkt, um herauszufinden, wie wir uns von der Abhängigkeit von humanitärer Hilfe lösen und Wege finden können, um unabhängig und selbstständig zu werden. Um dieses Ziel als Geflüchtete zu erreichen, müssen wir die richtigen Fähigkeiten mit den richtigen Mitteln aufbauen, damit wir angemessen auf die aktuelle Krise reagieren und sie lösen können.

Wir können unsere Herausforderungen nicht mit einer alten Denkweise lösen, die uns unglücklich macht und den Kern unserer Menschlichkeit und unseres Geistes zerstört. Nakivale ist in den letzten Jahren zu unserer Heimat geworden, und das inspiriert uns dazu, unsere Geschichte als Menschen neu zu schreiben – eine Geschichte, die die nächste Generation widerstandsfähiger und kreativer Denker beflügeln wird!

Author:
Kaa Faensen
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