Gesten der Gegenwärtigkeit

Our Emotional Participation in the World
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Porträt
Published On:

July 7, 2025

Featuring:
Minjung Kim
Categories of Inquiry:
Tags
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Issue:
47
|
July 2025
Interbeing
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Ein Interview mit der Künstlerin Minjung Kim

Diese Ausgabe konnten wir mit Arbeiten der Künstlerin Minjung Kim gestalten. Wir sprachen mit ihr über das Anliegen ihrer Kunst.

evolve: Sie arbeiten mit Hanji-Papier und Tinte. Was sind die Herausforderungen dieser Materialen für Sie? Und was schätzen Sie an ihnen als Ausdrucksmittel?

Minjung Kim: Hanji ist sowohl weich als auch hart. Mit der Zeit habe ich gelernt, das Ergebnis vorauszuahnen. Allein durch Berührung des Papiers kann ich inzwischen spüren, wie es reagieren wird – wie es die Farbe aufnehmen wird, wie es dem Brennen widerstehen wird  –, aber dennoch lässt es sich nicht vollständig kontrollieren. Wenn man das Papier verbrennt, kann es einen überraschen – es hat eine eigene Logik. Wenn ich mich nicht konzentriere, brennt das Papier zu stark. Und Tinte ist sehr direkt – man kann sie nicht auslöschen, man muss ihre Spuren akzeptieren. Ich mag diese einschränkenden Bedingungen. Sie zwingen mich dazu, demütig zu sein, zuzuhören, meinen Atem und meine Gedanken zu kontrollieren.

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Ein Interview mit der Künstlerin Minjung Kim

Diese Ausgabe konnten wir mit Arbeiten der Künstlerin Minjung Kim gestalten. Wir sprachen mit ihr über das Anliegen ihrer Kunst.

evolve: Sie arbeiten mit Hanji-Papier und Tinte. Was sind die Herausforderungen dieser Materialen für Sie? Und was schätzen Sie an ihnen als Ausdrucksmittel?

Minjung Kim: Hanji ist sowohl weich als auch hart. Mit der Zeit habe ich gelernt, das Ergebnis vorauszuahnen. Allein durch Berührung des Papiers kann ich inzwischen spüren, wie es reagieren wird – wie es die Farbe aufnehmen wird, wie es dem Brennen widerstehen wird  –, aber dennoch lässt es sich nicht vollständig kontrollieren. Wenn man das Papier verbrennt, kann es einen überraschen – es hat eine eigene Logik. Wenn ich mich nicht konzentriere, brennt das Papier zu stark. Und Tinte ist sehr direkt – man kann sie nicht auslöschen, man muss ihre Spuren akzeptieren. Ich mag diese einschränkenden Bedingungen. Sie zwingen mich dazu, demütig zu sein, zuzuhören, meinen Atem und meine Gedanken zu kontrollieren.

e: Welche Bedeutung hat Verbrennen in Ihrer Kunst?

MK: Das ist Transformation und ein Weg, über mich hinauszuwachsen und mein Ego auszulöschen. Es erfordert Disziplin und Konzentration. Beim Verbrennen geht es nicht nur um Zerstörung – es verändert das Material, es fügt Leere, Tiefe und auch Fülle hinzu. Diese dunklen, verkohlten Ränder haben eine gewisse Präsenz und Schönheit. Das Feuer verleiht dem Papier eine Erinnerung. Hanji hält die Zeit fest – es saugt jede Einwirkung förmlich langsam in sich auf, fast wie eine Haut.

e: Wie sieht Ihr kreativer Prozess aus? Haben Sie eine klare Vorstellung von einem Werk, oder entsteht das Werk erst im Laufe des Schaffensprozesses?

MK: Es kommt darauf an. Ich habe zwar oft eine klare Vorstellung davon, was ich mit meinem Werk erreichen will. Doch manchmal ist es auch der Prozess, der mich leitet. Ich beginne mit der Arbeit und beobachte aufmerksam, was mich umgibt, mein Atelier, meinen Garten, das tägliche Leben. Manchmal geht etwas schief, aber ich bewahre alles auf, auch die Stücke, die wie Misserfolge aussehen. Ich werfe Papier nicht gerne weg, es ist ein zu wertvolles Material. Es kommt aus der Ferne, geboren aus der Handwerkskunst meiner Vorfahren. Also behalte ich es, bis es seinen Platz gefunden hat, vielleicht transformiert oder in einem anderen Kunstwerk eine Wiederverwendung findet. Zum Beispiel kann ein Werk wie »Mountains« scheitern, wenn die Abstufung nicht stimmt. Es ist schmerzhaft, das Papier zu verlieren. Also schneide ich es in kleine Streifen. Ich brenne die Ränder auf beiden Seiten an und setze die Streifen dann vorsichtig und geduldig wieder zusammen, um das Papier zu rekonstruieren; so entsteht etwas Vollständiges. So ist auch die Serie »Timeless« entstanden. Ich vertraue dem Material und meiner Intuition mehr als jedem festen Konzept.

e: Welche Eigenschaften oder inneren Haltungen sind für Sie in Ihrer künstlerischen Arbeit besonders wichtig?

MK: Qualitäten wie Instinkt, Vertrauen, Geduld und Gewahrsein sind für meine Arbeit unerlässlich. Im schöpferischen Prozess versuche ich zur Seite zu treten – ich will nicht zu sehr als Individuum präsent sein. Ich versuche, mich selbst zu vergessen, nicht mehr zu denken. Wichtig ist, dass ich mit dem Material, mit der Geste, mit dem Atemrhythmus ganz präsent bin. Ich versuche nicht, zu viel zu kontrollieren. Ich folge meinem Instinkt, ich höre auf das, was das Werk braucht. Es ist ein Prozess des Vertrauens – Vertrauen in die Tinte, das Papier und meine eigene Hand. Es geht um die Beherrschung des Mediums und der Geste. Und immer auch um Geduld. Die Dinge brauchen Zeit, um sich zu offenbaren. Manchmal entstehen die bedeutungsvollsten Momente, wenn ich nicht mehr versuche, etwas zu erzwingen.

Author:
Mike Kauschke
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