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Sukadev Volker Bretz ist der Gründer und Leiter der Yoga Vidya-Zentren. In seiner Version des ursprünglichen Yogaweges versucht er die Integration von östlichen und westlichen Denken und eine der größten Yogabewegungen im Westen begründet.
„Ich hatte eine Vision von Swami Sivananda. Er vermittelte mir, dass ein neues Zeitalter beginnen könnte, in dem Frieden herrscht und Hunger überwunden ist und die Menschen zu einer neuen Verbundenheit finden. Ein wichtiges Bindeglied dafür könnte Yoga sein. Er ließ mich in dieser Vision wissen, dass es meine Aufgabe sei, mich dafür zu engagieren. Dazu sollte ich Yoga unterrichten, der dem westlichen Lebensstil nahe ist und dennoch spirituell bleibt.“ Sukadev Volker Bretz, der diese Vision im Gespräch mit evolve berichtet, ist dem Ruf mit großer Konsequenz gefolgt. Bevor ich vor einiger Zeit mit ihm sprechen konnte, hatte ich mir einige Videos auf YouTube angeschaut und sah einen bodenständigen Menschen, der so gar nicht ins Bild eines Yogagurus zu passen schien. Und auch während des Interviews mit ihm beeindruckte mich seine unprätentiöse Art, mit der er von seinem Leben erzählte, das ganz dem Yoga gewidmet ist. Ich spürte, dass hier jemand aus einer spirituellen Autorität spricht, die sich nicht hinter metaphysischen Spekulationen versteckt. Sukadev Bretz lebt ein Leben der Praxis: Das gilt sowohl für den Yoga als auch für alles, was für ihn daraus entstanden ist.
Wer sich dem Yoga annähert, stößt schnell auch auf das Yoga Vidya-Netzwerk, das von Sukadev Bretz gegründet wurde und dessen Leiter er heute ist. Das Yoga Vidya-Zentrum in Bad Meinberg ist das größte Yogazentrum Europas. Unter dem Namen entstanden über die Jahre insgesamt vier Seminarhäuser und Yogazentren in fast jeder größeren deutschen Stadt. In Bad Meinberg leben 200 Menschen ständig in einem modernen Ashram nach den Prinzipien des Yogaweges zusammen. Dazu kommen jährlich tausende Besucher für Kurse und Ausbildungen. In der Umgebung des Zentrums in Bad Meinberg haben sich mittlerweile ca. 100 Menschen angesiedelt, die sich Yoga verbunden fühlen. Sie haben die Kleinstadt zur „Yogastadt“ gemacht: Es gibt Esoterik- und Naturkostläden, in Kindergärten und Schulen wird auch teilweise vegetarische Kost, Yoga und Meditation angeboten, Künstler und Therapeuten sind hier tätig. Und die Idee mit der Yogastadt ist nicht nur ein Slogan. Für den Kurort Bad Meinberg, der durch die Veränderungen im Gesundheitswesen der letzten Jahrzehnte viele seiner Kurgäste verloren hat, ist Yoga zu einer echten Alternative geworden. Dementsprechend ist auch der Bürgermeister des Ortes an einer Weiterentwicklung des yogischen Angebots interessiert.
Wir haben die Möglichkeit, ein spirituelles Zeitalter zu begründen, in dem sich die Menschen nicht mehr um den Namen Gottes streiten.
Diese erstaunliche Entwicklung in einer kleinen Provinzstadt ist aus der Botschaft erwachsen, die Sukadev Bretz in seiner Vision von Swami Sivananda erhielt. Dabei schien für ihn ein ganz anderer Weg viel näher zu liegen. Aufgewachsen in einer Unternehmerfamilie studierte er zunächst BWL. Doch schon in jungen Jahren verspürte er auch eine tiefe spirituelle Sehnsucht. Er las philosophische und spirituelle Literatur, experimentierte mit Meditation und Konzentrationsübungen. Und so wurde ihm während des Studiums klar, dass Yoga für ihn das Wichtigste war. Nach einer vierwöchigen Yoga Intensiv-Ausbildung in den USA zog er in das Sivananda-Yogazentrum in München: „Als ich mit Yoga begann, war meine Ausrichtung: „Ich will Gott verwirklichen, ich will mich selbst verwirklichen, ich will Erleuchtung erlangen.“ Ich habe viel praktiziert, es gab Zeiten, wo ich 14 bis 16 Stunden am Tag übte. Als ich die Yogalehrer-Ausbildung absolviert hatte, bemerkte ich, dass es viele Menschen gibt, die vom Yoga profitieren könnten.“ Nach Abschluss der Ausbildung leitete Sukadev Sivananda-Yogazentren in der ganzen Welt, darunter Wien, Genf, Paris, London, Los Angeles, New York und Toronto. Er war Schüler von Swami Vishnudevananda, einem Schüler von Swami Sivananda, und nahm das Mönchsgelübde eines Sannyas an. Mit den Jahren begann Sukadev, das traditionelle Yogasystem zu hinterfragen und dachte darüber nach, wie ein Yoga aussehen könnte, der sich mit den westlichen Idealen von Demokratie und humanistischer Psychologie verbindet. Im Yoga, wie er es kennengelernt hatte, wurde eine klassische Guru-Tradition gelebt. Der Guru gibt die wichtigsten Richtlinien von oben nach unten. Für Sukadev geschah dies oft in mitfühlender, einfühlsamer Weise, aber er wollte einen anderen Führungsstil entwickeln. Deshalb verließ er 1991 die Sivananda-Yogazentren und wusste auch, dass er nicht länger als Mönch leben wollte. Er reiste einige Monate durch Indien und hatte in dieser Zeit wieder eine Vision von Swami Sivananda: „Er hat mir bedeutet, ich solle nach Deutschland zurückkehren und ein Yogazentrum eröffnen, woraus dann eine große Yogabewegung und ein Ashram für über 1.000 Menschen entstehen würde.“ 1992 kam Sukadev nach Deutschland zurück und gründete ein Yogazentrum in Frankfurt. Nach einigen Jahren entstand das erste Seminarhaus im Westerwald und 2003 kam Yoga Vidya nach Bad Meinberg – seine Vision von Swami Sivananda war Wirklichkeit geworden. Die innere Verbindung zu dem großen Yogameister bleibt für ihn wichtig. „Ich habe immer das Gefühl, er ist hinter mir, über mir, in mir und wirkt durch mich. Ich spreche mit ihm, ich frage ihn, was er von mir will. Ich bitte ihn, mir zu zeigen, was ich tun soll, und mir Kraft für meine Aufgaben zu geben. In der Meditation stimme ich mich auf Swami Sivananda und meinen direkten Lehrer, Swami Vishnudevananda, ein und ich spüre eine intensive Kraft und Lichtenergie.“ In Yoga Vidya will Sudadev eine Synthese aus humanistischer Psychologie, westlichen demokratischen Prinzipien, der Yoga-Spiritualität und den Ayurveda-Prinzipien entwickeln. Es ist ein Spannungsfeld, in dem Sukadev aber auch Gemeinsamkeiten sieht. Yoga und humanistische Psychologie gehen für ihn davon aus, dass das Innerste jedes Menschen gut ist. Yoga geht so weit, dass jeder Mensch einen göttlichen Kern hat, der Mensch aber oft nicht so handelt, wie es eigentlich in seinem tiefsten Inneren angelegt ist. Ein Spannungsfeld sieht Sukadev auch zwischen den traditionellen Beziehungen unter spirituell Übenden, die auf verschiedenen Tiefen an Erfahrung basieren, und dem demokratischen Prinzip der gleichen Mitsprache aller. Bei Yoga Vidya haben die erfahreneren Lehrer eine gewisse spirituelle Autorität, um anderen auf ihrem Weg zu helfen, aber die wichtigsten praktischen Fragen werden demokratisch abgestimmt.
Diese Integration westlichen und östlichen Denkens ist für Sukadev Bretz zum Leitstern seines Lebens geworden und er sieht sich dabei in einer Tradition mit seinen Lehrern, die sozusagen von der anderen Seite die Verbindung mit dem Westen suchten. Auf die Frage nach dem Verhältnis zwischen östlichem und weltlichem Denken sagt er: „Der im Westen so charakteristische Fortschrittsgedanke ist durchaus von den meisten indischen Yoga-Meistern der letzten 200 Jahre integriert worden, Meistern wie Ramakrishna, Paramahansa Yogananda, Swami Sivananda oder Sri Aurobindo. Sie haben alle davon gesprochen, dass eine neue Kultur entsteht. Es wird Umbrüche geben, aber wir haben die Möglichkeit, ein echtes spirituelles Zeitalter zu begründen, in dem sich die Menschen nicht mehr um den Namen Gottes streiten, in dem es Respekt für die verschiedenen großen Religionen gibt und wo unterschiedlichste Menschen mit unterschiedlichsten Anliegen harmonisch miteinander umgehen können.“ Dieser Vision hat sich Sukadev Bretz verschrieben und tritt mit seinem Leben und dem Aufbau von Yoga Vidya selbst den Beweis an, dass Spiritualität tatsächlich unsere Kultur verändern kann.
Author:
Mike Kauschke
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